Friedrichroda 2017: Sadko und Timon auf den Spuren Martin Luthers

Wir schreiben den 06.09.2017. Die Saison steht unmittelbar vor der Tür. Grund genug für Sadko und mich, ein letztes Vorbereitungsturnier zu spielen, nachdem Sadko Geithain auslassen musste und ich in Geithain auch mehr oder weniger auf der Stelle getreten bin. Also fuhren wir in den schönen Thüringer Wald zu den 21. Friedrichrodaer Schach Open 2017, welches vom 06.-10.09. im Berghotel zu Friedrichroda ausgetragen wurde. Neben schönen und unschönen Schachpartien gibt es noch die ein oder andere Geschichte zu erzählen.

Außenansicht des Friedrichrodaer Berghotels

Das Hotel machte von außen an sich erstmal einen guten Eindruck, in der Innenausstattung gab es dann einen Mix aus moderner Ausstattung und Überbleibseln aus DDR-Zeiten. Der Spielort war jedoch sehr speziell. Es handelte sich um zwei kleine, enge Räume ohne Fenster oder irgendein Belüftungssystem. Oder man beschreibt es wie Papa Just: "In diesem Karnickelkäfig werde ich nicht noch einmal spielen." Wenig später kam dann noch die Beschreibung "Saftladen" dazu. Sadko und ich sind uns ziemlich einig, dass es diese Bezeichnung sehr gut trifft.

Am Mittwoch begann das Turnier um 15:00 Uhr und schon vor der ersten Partie wurde ich überrascht. Als der Schiedsrichter die Partien alle nach einander einzeln aufrief, wurde mir Brett 19 mit den schwarzen Steinen zugeteilt. Dort hatte aber bereits jemand anders Platz genommen. Ich wartete erst einmal ab, um dann wenig später festzustellen, dass ein weiterer Herr Bauer teilnahm und er wahrscheinlich nur Aufgrund des Nachnamens seinen Platz einnahm. Als dann kurz darauf der Name Bauer ein zweites Mal aufgerufen wurde, wurde er stutzig und erkannte seinen Fehler. Warum ich euch das erzähle? Wartet ab...

Während Sadko in Runde 1 fröhlich nach Lust und Laune die gegnerischen Figuren einsammelte, erteilte mein Gegner mir eine Lehrstunde, wie man die slawische Verteidigung auf keinen Fall spielen sollte. Nachdem meine Stellung so oder so schon ruiniert war, fand er auch noch ein taktisches Motiv, was mir eine Minusqualität und drei Minusbauern einbrockte, was für mich Grund genug war aufzugeben.

In Runde 2 hatte ich erneut Schwarz und mir flog in der Vorstoß-Variante des Caro-Kann die aggressive e6-Axt entgegen. Ich konnte mich allerdings konsolidieren und kam in ein Endspiel mit zwei schönen Freibauern im Zentrum. Allerdings tauschte ich im falschen Moment das letzte Turmpaar, nachdem er mich nun mit seinem e6-Freibauern beschäftigte und in der Zeit, in der ich zu verteidigen versuchte, meine schönen Freibauern einsammelte, wonach die Stellung hoffnungslos ist. Sadko konnte an seinen guten Auftakt anknüpfen und schob seinen Gegner auf folgende Stellung zusammen:

Nach 22. a6 gab Sadkos Gegner dann auf.

Geschuldet der zwei Niederlagen bekam ich in Runde 3 eine 1100 als Gegner, an dem ich meinen Frust auslassen konnte:

Wenig wandelte ich den Vorteil in eine Mehrfigur um und holte ohne große Probleme meinen ersten Punkt.

Geschuldet der zwei Auftaktsiege durfte sich Sadko in Runde 3 mit FM Markus Rupp messen und lange Zeit sah es auch relativ gut aus. Sadko versuchte sich wie ich in Runde 1 an der slawischen Verteidigung, woraus sich folgende Stellung entwickelte:

Nach 14.... Sxc5 pflegte Sadko ein berechtigtes Remisangebot in die Partie ein. Der FM lehnte natürlich ab und fand mit 15.Kd1 den besten Zug. Kritisch wurde es bereits einen Zug später, als Sadko mit dem Springer nach d7 zurückkehrte. Es wäre besser gewesen, nach e6 zurückzukehren, um dem König nach 16.bxc6 bxc6 17.La6! das d7-Feld zu lassen, um c6 besser decken zu können. Der FM holte sich in Folge die zwei Bauern am Damenflügel ab und verwertete danach den Freibauern zum Sieg. Schade!

Sadko kämpft noch gegen FM Markus Rupp, aber hier sieht es leider schon nicht mehr gut aus.

In Runde 4 schob Sadko dann ein Schnellremis gegen eine 1800 ein, während ich besonders im Mittelspiel schwitzen musste. Aus der Pirc-Verteidigung entwickelte sich folgende Stellung:

Schwarz machte richtig Druck am Königsflügel, aber ich konnte den Laden zusammenhalten und versuchte Dampf am Damenflügel zu machen. Wenig später sah er ein, dass er am Königsflügel nicht weiterkommt, woraufhin ich am Damenflügel durchbrechen konnte und mir den ganzen Punkt sicherte.
Als ich während der Partie kurz draußen war, gesellte sich mein Namensvetter zu mir und wir unterhielten uns kurz. Als ich dann erwähnte, dass ich u.a. Mathematik studierte, wollte er sich nach unseren jeweiligen Partien mit mir über ein mathematisches Problem unterhalten. Da seine Partie jedoch relativ schnell danach fertig war, schrieb er es auf und legte es unkommentiert an mein Brett. Als wir beide dann am Nachmittag auf der Wartburg unseren jährlichen Kulturbeitrag leisteten, grübelten wir auch über das Problem, was aus mehreren Teilproblemen bestand. Ein Teilproblem konnten wir jedoch nicht lösen und hakten es ab. In der Ansetzung für Runde 5 kam es so, wie es die Story verlangt: Ich würde am nächsten Morgen gegen meinen Namensvetter spielen. Dadurch angespornt grübelten wir beide über das letzte Teilproblem, was wir letztendlich mit vereinten Kräften doch noch lösen konnten.

Am nächsten Morgen präsentierten wir ihm die Lösung und er schien sehr erfreut darüber zu sein, dass ich mich bzw. wir uns mit dem Problem auseinander gesetzt hatten. Am Ende der Partie hatte er wahrscheinlich den strategischen Sieg auf dem Brett, aber ich bot trotzdem Remis, welches er zu meiner Überraschung relativ schnell akzeptierte. Ich glaube, da hat auch der ein oder andere Sympathiepunkt mit reingespielt. 🙂

Witzigerweise bekam Sadko in seiner fünften Runde meinen Erstrundengegner und spielte zu Beginn die selbe Slawisch-Variante, mit der ich in Runde 1 so grandios gescheitert war. Auch für Sadko sah es nicht gut aus, aber im entscheidenden Moment patzte Sadkos Gegner die komplette Partie ein:

Sadko hat genau eine Gewinnidee, die er gefunden hat. Mit welchem Zug bestraft er 26.Kf1?? ?

In Runde 6 bekam ich zum ersten Mal als Weiß-Spieler ein Caro-Kann aufs Brett. In Zug 12 entschied ich mich, von der Theorie abzuweichen und einen Zug zu spielen, den ich in vielen Internetspielen immer wieder sehe. Mein Gegner kannte diesen Zug nicht und wusste auch nicht, was er direkt spielen soll. Ich entschied mich für einen zeitigen Angriff auf seine 0-0-0 - Stellung, woraufhin er die Qualität opferte. In einem gewonnenen Endspiel patzte ich dann, aber mein Gegner traff wohl in der Remis-Variante die gleiche Fehleinschätzung wie ich und patzte dadurch ebenfalls. Er setzte alles in einen Mattangriff, den ich aber abwehren konnte. Am Ende stand mein Turm gegen seinen Springer und zwei Mehrbauern für ihn, allerdings waren seine Bauern so schwach und mein Turm so aktiv, dass er kurze Zeit nach dem Damentausch aufgab.

Nach 24. Dd4? kann mein Gegner mit 22... Dxd4 das Remis halten. Zu meinem Glück bediente er sich auf h5, was meine Siegchancen wiederherstellte.

Sadko durfte in Runde 6 gegen eine 1950 antreten und bekam folgende Gewinnstellung aufs Brett:

Leider geriet Sadko auf dem Weg in diese Stellung in Zeitnot, worauf er Remis bieten musste, was sein Gegner angesichts der Stellung akzeptierte.

Als wir nach dem Abendessen unsere Ansetzungen für die letzte Runde nachschauen wollten, bekamen wir noch ein Spektakel geboten, denn der Erfurter Alex Steinacker und Geithain-Sieger Uwe Mehlhorn lieferten sich einen Kampf bis aufs Messer. Leider behandelte ausgerechnet der Schiedsrichter die Situation durch Nicht-Mitschreiben der Partie ungünstig. Mehlhorn ging All-in und spielte auf Sieg und verlor die Partie am Ende sogar noch.

In der letzten Runde bekam Sadko dann ausgerechnet Geithain-Sieger Mehlhorn als Gegner und ich durfte mich mit Schwarz gegen eine 1800 duellieren. Leider fungierten wir in der letzten Runde nur als Materialspender und nahmen zum Abschluss nichts mehr mit. Zu Anschauungszwecken will ich nur noch fix zeigen, wie verheerend eine Rochade sein kann:

In diesem London-System sieht die Rochade auf den ersten Blick doch sehr natürlich aus oder? Leider geht nach 10.g4 eine meiner Figuren verloren.

Am Ende des Turniers steht folgende Statistik:

Schachfreund Siege Remis Niederlagen Alte DWZ Neue DWZ
Sadko 3 2 2 1652 1699
Timon 3 1 3 1511 1542

Am Ende können wir folgendes Fazit ziehen:

  • Sadko konnte seinen Schaden aus Dresden fast vollständig reparieren und verfehlte sein Ziel von 1702, welches er sich vor dem Turnier setzte, nur knapp. Im Vergleich zu Dresden zeigte er auch ein verbessertes Zeitmanagement.
  • Ich bin mit mir auch zufrieden, auch wenn ich gerne mit einer glatten 1550 in die Saison gestartet wäre. Mein Problem bleibt nach wie vor die Bewertung von Endspielen. Außerdem weiß ich nun, dass man die Eröffnung nicht zu schnell spielen sollte. Der natürlichste Zug kann gleichzeitig auch der falscheste sein.
  • Wer gerne in "Karnickelkäfigen" spielt, sollte unbedingt dieses Turnier spielen!
  • Die Saison kann kommen!

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.