Dass ich gerne mal auch in entlegenere Winkel fahre, um Schach zu spielen, ist mittlerweile nichts neues mehr. So auch dieses Jahr - zum zweiten Mal nach Frankenthal 2021 (https://www.vfb-schach-leipzig.de/2021/pfaelzische-gemuetlichkeit-emotionen-und-endlich-wieder-ein-turnier-frankenthal-2021/) machte ich mich auf den Weg in das Rheinland, um dort am 3. Thallichtenberger Sommeropen in der Nähe von Kaiserslautern teilzunehmen.
Das besagte Turnier bestand aus fünf Runden Schweizer System und wurde vom 12.07.2024 bis 14.07.2024 im rheinland-pfälzischen 600 Seelen-Dorf Thallichtenberg ausgetragen. Nachdem mein Reisepartner Julian und ich bei der Unterkunft etwas spät dran waren, bedeutete das zudem jeden Tag je einen 2km Spaziergang aus dem Nachbarort Körborn zum Turnier vorbei an der Burg Lichtenberg mit einer sehr schönen Aussicht auf die umliegende Hügellandschaft.
In dem 70 Teilnehmer starken Feld ging ich als Nummer 12 der Setzliste ins Rennen. Nach meiner "eher durchwachsenen" Punktspielsaison hielt ich es für eine gute Idee, erstmal kleine Brötchen zu backen, was meine Zielsetzung anging. 2 DWZ-Pünktchen sollten mir genügen, um den kleinen Schönheitsfehler in meiner DWZ zu begradigen.
In der ersten Runde am Freitag Nachmittag bekam ich es mit einem 9-jährigen zu tun, der schon eine 1700 DWZ vorzuweisen hat. Ich wusste also, dass ich mich auf was einstellen kann. Nachdem wir unsere Eröffnungen herunterblitzten, gestalteten wir den Übergang ins Mittelspiel "eher holprig", um es mal nett zu formulieren. In seinen taktischen Verwicklungen übersah mein junger Gegner, dass ich eine Figur gewinnen konnte und sein Angriff nicht durchschlägt. Die Berechnungen kosteten mich allerdings einiges an Zeit, sodass ich in Zug 28 sehr froh war, dass wir ein Format mit Inkrement spielten. Nach einigen Vereinfachungen sah ich die Gewinnidee, hatte aber keine Zeit, um das ganze mal durchzurechnen. Also mogelte ich mich mit verschiedensten Schachgeboten tatsächlich ohne eine dreifache Stellungswiederholung bis Zug 40 und konnte hier in Ruhe meine Idee durchrechnen. Vielleicht wollt ihr mitrechnen. Anders als sonst löse ich jedoch direkt unter dem Diagramm auf und nicht erst am Ende.
Die einzige schwarze Gewinnidee besteht tatsächlich darin, den Springer auf f3 mit 40...Sf3+!! zurückzuopfern, um den g2-Bauern auf seinem Feld zu entfernen, damit der König sich nicht mehr auf h2 verstecken kann. Wenn Weiß das Springeropfer mit 41.Kg3 ablehnt, ist es übrigens direkt Matt in 3. Das dürft ihr gerne selber herausfinden. Nach dem Partiezug 41.gxf3 Df4+ realisierte mein Gegner so langsam aber sicher meine Gewinnidee und hatte sichtlich mit seinen Emotionen zu kämpfen. Er spielte die Stellung dann bis zum Matt aus. Ein durchaus gelungener Turnierauftakt für mich.
In Runde 2 bekam ich nochmal eine 1700. Die Eröffnung und das Mittelspiel spielte ich für meine Begriffe sehr sauber und erarbeitete mir schön eine Gewinnstellung, in der ich dann die konkrete taktische Umsetzung meines Sieges nicht sah:
Weiß kann ganz einfach mit 30.c7! gewinnen und die schwarzen Figuren stehen so ungünstig, dass die Umwandlung nicht mehr gestoppt werden kann. Nach 30.Tb6 Tc8 hatte ich noch eine Chance auf Vorteil, wenn ich 31.Ta1 spiele. Ich wählte stattdessen 31.Tb1?, weil ich dachte, dass es keinen Unterschied spielt. Leider übersah ich, dass nach 31.Tb1? Tc8 32. c7 Schwarz sehr simpel 32...Td7! spielen kann und ich kann meinen Bauern und meinen Vorteil nicht mehr retten, weil der b6-Turm auf einmal sowohl Läufer als auch Turm blockiert. Am Ende musste ich mich mit dem Remis begnügen.
In Runde 3 wurde ich dann gegen meinen Reisepartner Julian gesetzt und es kam zur Wiederauflage unseres Duells wie schön in Döbeln einige Monate zuvor. Es kam eine Variante aufs Brett, die mit Figurenopfer forciert im Remis endet. Und dann überraschte Julian mich mit einer Nebenvariante dieser Variante und ich musste nochmal nachdenken. Glücklicherweise überstand die Partie sein kleines Abenteuer ohne Schaden und wir einigten uns nach einer Stunde. Den freien Nachmittag verbrachten wir mit der Erkundung der Burg.
Runde 4: Ich hatte wieder Weiß und kam denkbar schlecht aus der Eröffnung. Ich kämpfte mich allerdings zurück und irgendwann lief mein Gegner in eine schöne Kombination. Warum bewertet die Engine den schwarzen Zug 23...Tdf8 mit einem doppelten Fragezeichen?
30...Tdf8 wird deshalb mit einem ?? markiert, weil er ein schönes geometrisches Motiv erst so richtig scharf schaltet. Weiß öffnet zunächst seinem Läufer mit 31.exf5! die Augen. Nach 31...Sxf5 kann Weiß nun mehrere Motive kombinieren. Zum einen eine Mattdrohung auf b7, zum anderen den ungedeckten Läufer auf g4. Gleichzeitig setzt man den schwarzen Turm auf f8 mit dem Zug 32. Db4! unter Druck. Ohne den Turm auf f8 ist das Motiv nicht scharf, weil Schwarz auf das Matt und den Läufer mit 32...Sd6 antworten kann. Mit dem Turm ist dieser Springer auf d6 aber gefesselt und auf einmal klopft mit 33.Lxb7+! der Auftrenner an der Tür. (Für alle, die nicht wissen, was der Auftrenner ist: Er trennt auf!) Genau so kam es in der Partie auch und die schwarze Stellung kollabierte hier relativ zügig.
In Runde 5 wartete mit eine 2150 mein mit Abstand schwierigster Gegner auf mich. Der Farbwechsel kam mir gerade recht. Relativ problemfrei trocknete ich mit Weiß die Stellung aus, sodass mein Gegner in Zug 20 mein Remisgebot akzeptierte. Am Ende des Turniers steht nach zwei Siegen und drei Remis eine Bilanz von 3,5 aus 5, was mir für mein 2 DWZ-Pünktchen-Ziel reichen sollte. Die Saison kann kommen!