Weiße Spektakel und schwarze Panzer – Leer 2024

Falls jemand eine Kurzfassung meines Turnierberichts des 7. Sparkassen-Opens in Leer 2024 wünscht, bitte sehr:

Und jetzt folgt die Erklärung des Bildes für diejenigen, die es ganz genau wissen wollen:

Vom 31.10. bis 03.11. fand im ostfriesischen Leer das 7. Sparkassen Schach-Open statt, dem Dirk und ich einen Besuch abstatteten. Noch am Mittwoch ging es mit der DB einmal quer durch Deutschland (sogar pünktlich!). Gespielt wurde im Ostfriesenhof, direkt neben dem Deich der Leda (sehr zu empfehlen!). 

Das Turnier startete an jenem Donnerstag um 11:00 Uhr und ich bekam es mit einem 2160er CM zu tun, der mich nach einem ungenauem Abspiel mit einem Mehrbauern konsequent zusammengeschoben hat. Welche Farbe ich hatte, könnt ihr dem Bild oben entnehmen. Am Nachmittag wurde mir dann eine 1800 zugelost, die leider direkt in meine Vorbereitung reinlief. Es entwickelte eine Partie voller Opfer. Lasst uns meine geopferten Figuren mal gemeinsam zählen. Begonnen hat alles in Zug 14:

Hier hat Weiß die sehr nette Idee mit 14.Sd5, der zwar noch kein Totschlag ist, Weiß aber zumindest mal das Läuferpaar und einen netten Vorteil sichert. Das war Opfer Nummer 1. Das zweite Opfer folgte gleich wenige Züge später hier:

Hier hat Weiß die nette Idee 18.De3 und Schwarz kann den Läufer nicht nehmen. Die Partie setzte fort mit 18...Kf7 und ich antwortete mit 19.Lh3, womit ich nun drei Opfer zähle (und ja, ich zähle den Schwarzfelder hier doppelt.). Nach 19...Dc6 musste ich jetzt allerdings den Totschlag finden. Ich gebe euch einen Tipp: Ich opfere mit einem Zug gleich zwei verschiedene Figuren, womit ich insgesamt bei fünf Opfern herauskomme. Die Auflösung gibts am Ende. So viel sei gesagt: Ich konnte die Partie für mich entscheiden. 

In Runde 3 gabs wieder schwarz und wieder erwischt ich einen sehr starken Gegner, den einen Fehler im Mittelspiel konsequent bestrafte und keine Luft mehr ranließ. Ich nehme ihm nur etwas übel, dass er mich hier nicht mit einer Unterwandlung in einen dritten Turm matt setzte, sondern das langweilige Te8 spielte:

In der vierten Runde gings dann richtig ab, als mein Gegner sich im Mittelspiel zu folgendem Opfer entschied:

Die engine ist natürlich so eiskalt und behauptet, dass Schwarz seinen kompletten Vorteil zum Ausgleich verdorben hat, was mir während der Partie gar nicht so vorkam. Ob ich die Figur genommen habe? Klaro! Anschließend machte mein König einen kleinen Spaziergang zurück ins Zentrum, als ich plötzlich das Feuer der Stellung spürte:

 

Hier wollte ich a tempo direkt 27.Dd1 ziehen, um f3 und c2 zu decken. Zum Glück habe ich mir hier die Zeit genommen, um nochmal tiefer zu rechnen. Denn tatsächlich ist 27.Tf1! der einzige Zug, der mit dem Mehrturm (!!!) Ausgleich hält. Alle anderen Züge verlieren. 27. Dd1?? scheitert bspw. an 27... Lg5+ 28.Sxg5 Df2+ 29.Kd3 Dd4+ 30. Kf2 Tf2# und anderen Varianten. Nach 27.Tf1! konnte mein Gegner dann mit dem zweiten Qualitätsopfer 27...Txf3!! die ausgeglichene Stellung nach 38.Txf3 Lg5+ 39.Kd3 Dxf3+ dann letztendlich auch nachweisen. In Zug 40 einigten wir uns dann.

In Partie 5 gabs mit schwarz die nächste Niederlage, als ich im Mittelspiel eine Figur einstellte. Auch hier ließ mein Gegner wieder keine Luft ran. Ich hätte genau so gut einen Kampf gegen einen Panzer aufnehmen können; mit schwarz sah ich in diesem Turnier kein Land. 

Runde 6 kann ich euch sogar mal vollständig präsentieren (vorstellen müsst ihr es euch aber selber. :-P). Ich spielte Weiß: 1.e4 c6 2.d3 d5 3.Sd2 e5 4.Sgf3 Ld6 5.d4!? - eine interessante, dynamische Idee, die ich im Vorfeld gegen die 1800 vorbereitet hatte - 5...dxe4? 6. Sxe4 exd4? 7. Dxd4 Lc7?? und nach 8.Dxg7 wanderte auch direkt die Hand übers Brett. Das ging fix. Ironischerweise war das einer meiner schnellsten Siege überhaupt. Die Eröffnung? Caro-Kann! Mein schnellster Sieg mit Schwarz nach sechs Zügen. Mit welcher Eröffnung? Caro-Kann! (aus einem meiner ersten Punktspiele vor einigen Jahren)

Runde 7 war dann relativ unspektakulär. Ich bekam doch noch eine Chance, mit Schwarz meinen Skandinavier aufs Brett zu packen. Die 2100, die mir gegenüber saß, machte nicht den Anschein, noch einmal groß was zu probieren, also bot ich in Zug 14 Remis und mein Gegner nahm an - immerhin ein halber Punkt mit den schwarzen Steinen.

Turnierfazit: Mit Weiß liefs super (2,5 aus 3)! Mit Schwarz habe ich noch Luft nach oben (0,5 aus 4). Ich bin mit den 3 aus 7 trotzdem sehr zufrieden. Immerhin waren fünf meiner sieben Gegner zwischen 2000 und 2160 DWZ und ich experimentierte mal wieder sehr stark mit neuen Eröffnungen herum. Am Ende springt sogar noch ein kleines DWZ-Plus heraus. 

Mein letztes Highlight gab es dann am Abend des letzten Turniertages, als mein IC tatsächlich 25 Minuten eher in Leipzig einfuhr als erwartet. Wunder gibt es also doch immer wieder ... 

Nun noch zur Auflösung des Rätsels aus dem ersten Diagramm: Nach 19...Dc6 fand ich den Totschlag 20.Lxf6!!, der gleichzeitig den Läufer zum dritten Mal und den Springer auf f3 opfert. Und die daraus entstehenden Kombinationen können sich für meine Begriffe echt sehen lassen. Nach 20...Kxf6 (20...Sxf6?? 21. Se5+ mit Damengewinn) wäre gekommen: 21. Dg5+ Kf7 22. Txd7!! Dxf3 (22... Txd7 oder 22... Dxd7 23. Se5+ wieder mit Damengewinn) 23. Txe7 Kf8 24. Dg7# 

In der Partie versuchte mein Gegner dagegen 21...Dxf3 22. Dxe6+ Kg6 23. Lxe7+ Sf6 24. Dxf6+ (24.Df5+! ist sogar noch genauer, weil es noch eine Qualität gewinnt) 24...Dxf6 25.Lxf6 Kxf6 26.Lg2 Lxg2 und hier hatte mein Gegner keine Lust mehr, das Endspiel mit zwei Minusbauern weiterzuspielen. Eine meiner schönsten Partien seit langem. 

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