Nachdem wir uns in den vergangenen Jahren darin sehr verdient gemacht haben, das Elo-Gefälle zwischen Ost- und Westeuropa ein wenig auszugleichen, wollten wir diesen Sommer entweder mal etwas nach Norden oder Süden vorfühlen. Im Gespräch waren dabei Finnland oder Spanien und eigentlich nicht ganz ernst gemeint auch Griechenland. Aber manchmal verselbstständigen sich die Dinge und schnell stand fest, dass Alv, Anton, Jakob und ich wieder einmal Lust hatten, durch Europa zu touren… Wir wollten nach Kreta fahren – richtig: Fahren.

Ich habe das Ganze als bebilderten Reisebericht geschrieben… aber… es sind knapp 10.000 Kilometer gewesen und über ein Dutzend Länder … also bringt etwas Zeit mit, bevor ihr auf weiterlesen klickt…
Vom 20. bis zum 27 Juli 2024 fand auf Kreta das „17th Paleochora Open“ in Palaiochora statt, einem kleinen Ort an der Südküste der Insel mit etwa 2000 Einwohnern und gefühlt doppelt so vielen Touristen. Mit über 250 Teilnehmern ist das Turnier eines der größten Griechenlands und zugleich das südlichste Turnier Europas.
Auch wenn wir in den letzten Jahren schon einige weite Touren durch Europa gemacht haben, sollten dieses Jahr die Maßstäbe neu gesetzt werden. Wir sind bereits am Donnerstag eine Woche vorher losgefahren, um nach 8 Tagen, am darauffolgenden Freitag auf Kreta „entspannt“ anzukommen …
Nachfolgend ein paar Eindrücke des Weges:
Die Hinreise:
Unser Weg führte uns zunächst von Leipzig mit einem Abstecher über Tschechien nach Bayern und Österreich:

Kroatien: Am zweiten Tag ist schon zum ersten Mal das Mittelmeer in Sicht. Kann ja dann nicht mehr so weit sein bis nach Kreta… oder?










Hinter Dubrovnik ist gleich die Kroatische Südgrenze zu Montenegro und man kann sagen, dass ab hier das „Abenteuer“ beginnt… auch nach Albanien sind es kaum noch 200 Kilometer… doch dann kommt ein 5-stündiger Grenzstau, der uns ziemlich einen Strich durch die Rechnung gemacht hat…

Endlich angekommen in Albanien:

Endlich geht es los! 3 Stunden die Auto-Flussfähre rein ins albanische Landesinnere…


Die Albaner sind echte Tetris-Meister … Ja, das da vorne rechts ist unser Auto…






Wir kommen des Weges an vielen entlegenen Dörfern vorbei und nachdem wir für die letzten 80 Kilometer fast vier Stunden gebraucht haben und es kurz nach 20 Uhr bereits stockdunkel ist … freuen wir uns über eine gemütliche Gaststätte am Wegesrand. Es gibt keine Karte. Gegessen wird das, was eben grade da ist und für Gäste auf den Tisch kommt: Das Gemüse kommt aus dem Dorf und den Fisch haben sie vor unseren Augen frisch gefangen und zubereitet:








Im Tal fährt es sich noch sehr entspannt…
… aber die Straße wird mit zunehmender Höhe immer schlechter. Der wohl abenteuerlichste Teil der Fahrt sollte eine 47 Kilometer lange Passstraße sein:

Unterwegs im Gebirge, auf ca. 1700 Metern Höhe findet Anton beim Vorauskundschaften dann bald eine durchaus … verdächtige … Spur… vor uns auf der Straße und kommt wie aus dem Häuschen völlig aufgebracht zurückgerannt …
„HIER SIND BÄRENSPUREN!!!“ Ich hab es Anton erst nicht geglaubt. Erst als ich das gesehen habe. Dann wurde zugegeben auch mir etwas mulmig… vor allem, weil wir auf der Passstraße nur selten mit über 5 km/h fahren konnten…
Aber wir haben Meister Petz nicht persönlich getroffen… Nach Stunden dann endlich, es ist inzwischen Abend: Das erste Dorf ist wieder in Sicht!
Und auch die Straße wird wieder besser! Anton kundschaftet sicherheitshalber aber immer noch ab.





Unten im Tal suchen wir uns noch etwas zu essen, uns wird ein Zelt vor der Wiese der Taverne angeboten. Ein Dorf weiterer unten im Tal finden wir dann aber noch eine Unterkunft mit Dusche und echten Betten. Am nächsten Früh geht es weiter, es ist ja nicht mehr weit bis zur Grenze.












Am nächsten Morgen geht’s auf die Fähre. Hier nochmal ein Blick über den Hafen von Piräus vorm Ablegen:
Und ab auf die Insel! 😊
Auf Kreta:
Gleich am nächsten Nachmittag begann das Turnier. Gespielt wurde es in der örtlichen Dorfschule von Palaiochora, praktisch direkt am Strand!
Über 270 Schachspieler aus aller Herren Länder waren angereist, um an acht Tagen neun Partien Schach zu spielen. Zwar waren unter ihnen vier Großmeister und zahlreiche Internationale und Fide-Meister, aber es gab insgesamt dennoch ein recht breit aufgefächertes Teilnehmerfeld und auch eine große separate B-Gruppe für alle unter 1850 Elo.
Aber alle hatten einen nicht zu unterschätzenden Gegner: Die Hitze. Nebeneffekt war, dass die Partien erst abends begannen, wenn es zumindest auf angenehme 30 Grad abgekühlt war. So konnte man tagsüber aber auch noch einiges unternehmen.
Runde 1
Das Turnier begann zunächst normal. Alv, Anton und ich waren unterhalb der der Hälfte gesetzt und hatten somit stärkere Gegner. Kurz: Recht schnell gingen die Partien gemäß Erwartung aus. Jakob spielte gegen ein kleines griechisches Mädchen. Weniger die Partie war das Problem, sondern eher erstmal das Spiellokal zu finden, denn die B-Gruppe hatte aufgrund der Menge an Teilnehmern kurzfristig ein Ausweichlokal im Dorfzentrum neben der Kirche bezogen, das ein paar hundert Meter Fußweg entfernt war. Zumindest Jakob gewann seine Partie. Abends ging es dann an die benachbarte Promenade gemütlich essen:

Runde 2 +3
Der zweite Tag brachte uns gleich die einzige Doppelrunde des Turniers. Bei noch angenehmen 35°C ging es früh 10 Uhr los mit der ersten Runde des Tages. Anton bekam eine gleichaltrige Griechin als Gegnerin, deren Hausnummer allerdings knapp 200 Punkte weiter oben lag. Er stemmte sich lange Zeit typisch mit seinem Caro-Kann dagegen, geriet dann allerdings in einen Mattangriff kurz vorm Vierzigsten. Auch Alv spielte gegen eine 16-jährige Inderin und allen hämischen Erwartungen im Vorfeld zum Trotz, gelang es ihm sehr schnell und deutlich zu gewinnen. Jakob spielte weit vorne gegen eine junge Armenierin, die am Ende mit 78 Elo Plus aus dem Turnier ging und fast 1900er Niveau gespielt hat und übersah im Mittelspiel eine Fesslung, die Figur und Partie kostete. Jedenfalls erfuhren die meisten von uns hier schon am eigenen Leib, dass das Turnier wieder einmal außerordentlich jung besetzt war. Na das konnte ja noch heiter werden… Mein Gegner, Mick Tobor, spielte zwar unter deutscher Flagge, war aber Aussiedler und eine interessante Persönlichkeit. Nach langem Kampf einigten wir uns auf Remis.
Nach seinem Null-aus-Zwei-Auftakt hatte Anton nun abends auch das Problem, weit runtergelost zu werden und inzwischen in einem Raum spielen zu müssen, wo die Klimaanlage (die nebenbei bemerkt in jedem Raum stets überlastet war) gar nicht mehr funktionierte. Dort hatten sie mal wieder die hintersten Bretter hingesteckt… Dankenswerterweise gab es aber überall umsonst Samaria-Wasser-Flaschen die sich jeder aus der großen Kühltruhe nach Bedarf nehmen durfte. Anton hatte nun eine noch jüngere Gegnerin als Gegner und konnte bald endlich seinen ersten Punkt erringen und somit auch „ins Turnier finden“.

Alv spielte gegen einen 19-jährigen Griechen mit deutlich über 2000 Elo... Wie sich später herausstellen sollte, war dieser damit schon einer der ältesten Gegner, die Alv in den 9 Runden bekommen sollte… noch Fragen? ^^
Jakob spielte mal wieder gegen ein kleines Mädchen. Hier war allerdings Sammeln angesagt. Er kam dadurch erneut ein paar Bretter nach oben und damit für die nächste Runde ins Hauptturnierlokal.
Die Zeit drumrum verbrachten wir übrigens entweder so:

Oder so:


Runde 4
Vor der Runde: Eine typische Szene aus einer Bergtaverne:
Und sie hatten es wirklich wieder einmal geschafft: Da fährt man ans andere Ende Europas, zu einem Turnier mit über 128 Teilnehmern allein in der A-Gruppe und zielsicher, praktisch bei erster Gelegenheit, lautete die Ansetzung für die vierte Runde Alv vs. Anton. Alv war bereits unter Erwartungswert und eigentlich darauf bedacht, diesen wieder auszugleichen, aber auf ausgerechnet Antons Kosten? Nein. Dennoch spielten beide eine 38-Züge lange Partie. Am Ende bot „Alv Alvermann“ (so zumindest die Notation auf Antons Partieformular… ^^) Remis. Gut so.
Ich bekam einen ausgesprochen freundlichen Italiener als Gegner, der etwa gleichstark war. Am Ende einigten wir uns auf Remis. Das zweite Schwarzremis. Nicht gerade meine Welt, aber okay, mit Remis kann man leben.
Jakob spielte ja schon sehr weit vorne inzwischen, an Brett 13 (und die B Gruppe war noch größer als die A-Gruppe…) und gewann schön mit Katalanisch gegen eine 1759!

Runde 5
Mit Runde 5 war bereits das Bergfest angebrochen. Allerdings gab es für uns hier nicht gerade viel zu feiern: Am Ende hatten wir einen Audi - und mit 0 aus 4 die verheerendste Runde im gesamten Turnierverlauf. Und das sollte für den Tag noch nicht alles sein…

Hmm… naja – wer auch immer uns hier wohl ein bisschen ärgern wollte – keine Chance! Denn: Sowohl im Reifendienst-Suchen als auch im Notrad-Dranmachen waren wir bereits absolut geübt …
Runde 6
Neuer Tag, neue Reifen, neue Gegner, neue Motivation. Jakob wollte seine Niederlage aus der letzten Runde wieder ausgleichen, erwischte aber einen deutschen Urlauber als Gegner, der zwar keine Elo besaß aber am Ende gleichmal mit 5 (!) Punkten das Turnier abschloss. Nebenbei bemerkt: Dieser „Urlauber“ war der ehemalige Landeschef der AfD Nordrhein-Westfalen, Dr. Alexander Dilger.
Alv musste am Ende unglücklich Remis machen. Bei Anton lautete das Ergebnis zwar ebenfalls remis, allerdings nach 40 Zügen. Damit die rechte der drei Spalten im Partieformular aber nicht so leer aussieht, wurde sie noch mit „Da ist was ganz falsch!“ querversehen. Bezieht sich das nun auf die Notation oder die Partie an sich? 😉
Auch bei mir sah es nicht anders aus. Wieder nur remis! Ein bisschen ärgerte ich mich schon. Nach 6 Runden hatte ich alle Weißpartien verloren, dafür zwar keine Schwarzpartie, aber eben auch noch keinen Sieg. Gut, es waren fast immer stärkere Gegner, aber trotzdem war das irgendwie doof…
Für den Abend - besser gesagt die Nacht - war auf der Haupt-Dorfstraße ein Mitternachts-Blitzturnier angekündigt. Die Versuchung, nach einem langen Tag schlicht gemütlich einkehren zu gehen war durchaus stark... Naja aber ihr kennt uns ja...


Runde 7
Am nächsten Tag nahmen wir nochmal alle Kräfte zusammen. Keiner von uns drei A-Turnierlern hatte Lust, sich am Tabellenboden verdichten zu lassen. Es wurde Zeit! Mir gelang endlich mal ein weißer Sieg gegen eine junge Rumänin. Die beiden Remiskönige Alv und Anton freuten sich mehr oder weniger über weitere Remisen.

Für Jakob lief es besser; er konnte seinen inzwischen vierten Sieg einfahren.
Indessen blieb auch etwas Zeit, um einige Strände und aber auch kulturhistorische Orte auf der Insel abzuklappern. Für Antike- und Mythologie-Fans durfte dabei der Berg Ida und Knossos nicht fehlen.





Runde 8
Nun war das Dilemma da: Alv hatte seine zweite vereinsinterne Paarung abbekommen: Diesmal gegen mich. Verdammte Axt. Wie auch bei früheren Turnieren war Alv dankenswerterweise bereit, Remis zu machen. Froh war ich dennoch, als ich mit 12. Sf1 und Alvs typischem königsindischen Springer-Angriffs-Beginn tatsächlich Remis geboten bekam … es war zwar noch 0,0 … aber … naja… hab da so meine Erfahrungen…
Anton spielte seinerseits gegen meinen Gegner aus Runde 6, eine jugendliche Achtzehnhundert und war mit dem Remis mit Schwarz am Ende gar nicht so unzufrieden. War natürlich voll gewonnen vorher … 😉

Jakob war bis dato der einzige von uns bei dem es mal wieder wirklich lief. In dieser Runde erwischte es ihn aber kalt und seine wahrscheinlich ärgerlichste Niederlage in diesem Turnier war die Folge.

Runde 9
Ich sage immer, die letzten Runden sind die entscheidenden für ein Turnier (und dessen Auswertung), ganz besonders die letzte Runde. Ach was wir da schon für Abende mit der Diskussion darüber gefüllt haben … Naja jedenfalls wollten wir alle nochmal alles geben.
Anton und Ich bekamen beide stärkere Gegner, aber keiner von uns brauchte mehr als 29 Züge, um unseren Gegnern nochmal gehörig eins drüberzubügeln. Auch Alv konnte nochmal zeigen, was in ihm steckt und gewann bald und auch unser Jakob konnte das Turnier versöhnlich mit einem Remis beenden.
Na geht doch! Nochmal drei Siege und ein Remis; ist doch gar nicht so schlecht! Damit konnten wir die Ruder nochmal ein bisschen rumreißen.
Am Ende verliert Alv zwar 24 Elo, aber das hätte zeitweilens auch deutlich schlimmer kommen können. Jakob macht trotz eines super Starts eine Rote Null – hmm… Siege gegen Elo-lose zählen eben nicht für die Auswertung… Meinereiner knabbert sich mühevoll 12 Elo-Punkte an, worüber Anton natürlich nur schmunzeln kann: Hier werden einfach mal ganze 52 Elopunkte zugelegt! Sauber!
Insgesamt haben wir also ein gutes Plus gemacht. Das entspricht zwar noch nicht wirklich unseren einstigen Investitionen in Polen… und andernorts im Osten aus den vergangenen Jahren, aber durch Anton haben wir dieses Mal zumindest 34 Elo-Punkte zurück nach Deutschland geholt. Gut, dann dürfen wir uns auch wieder zurück nach Hause trauen...
Doch davor musste es aber unbedingt nochmal an den benachbarten Elafonisi-Strand gehen:



Die Rückreise:
Ja, Kreta ist fast der südlichste Punkt Europas. Aber nur fast. Es gibt noch eine kleine Insel namens Gavdos, die einige Fährstunden weiter südlich liegt und extrem abgelegen ist. Und wenn man einmal so nah am echten südlichsten Punkt Europas ist, dann muss man das doch einfach mitnehmen! Oder? Also begann unsere Rückreisetour natürlich erstmal mit einem Abstecher in die Gegenrichtung: Nämlich noch weiter nach Süden…
































Inzwischen sind wir schon 5 Tage unterwegs seit Kreta… und müssen in 3 Tagen zu Hause sein… und stecken immer noch in Griechenland! Aber immerhin schon im äußersten Norden des Landes bei Meteora. Nun, dieser Tag sollte es noch in sich haben... Hier ist aber noch alles gut: der Blick morgens beim Frühstück im Hotel auf der Terrasse auf die untenliegende Stadt:

Eines der schönsten Klöster hatte, als wir da waren, sogar geöffnet.







Hier ahnen wir noch nicht, was nachher noch auf uns zukommen wird. Der Plan ist im Moment noch: Wir müssen die Fähre in Vlora nach Italien rüber schaffen. Wir haben noch 4 Stunden Zeit. Und bis zur Küste sind es nur noch 40 Kilometer Bergabfahrt runter. Eigentlich entspannt …
Doch dann kommt es anders...

Überall stehen plötzlich Flammen, bald schon unmittelbar an der Straße. Bevor eine Möglichkeit besteht, dass die Flammen uns einschließen können, beschließen wir umzukehren. Vielleicht hätten wir es geschafft, aber nichts in der Welt war uns dieses Risiko wert. Auf dem Rückweg kommt uns nun endlich übrigens auch die Polizei entgegen, um die Straße abzusperren. Viel zu spät!
Die Fähre nach Italien und damit auch die weitere Reiseplanung war nun mit einem Mal über den Haufen geworfen worden. Aber so ist es halt nunmal auf großen Reisen. Ständig passieren unvorhergesehene Dinge. Wir fassen den Entschluss, den Rückweg nach Deutschland über den Balkan zu starten und Autobahnen zu fahren, um die wir die ganze Reise bisher einen großen Bogen gemacht hatten, weil man auf Autobahnen weder Land noch Leute kennenlernt und alles stressig und dröge ist. Nun war aber schon Freitag. Nur über die Autobahnen besteht noch die Chance, es rechtzeitig bis Sonntag Abend zurück nach Deutschland zu schaffen.

Ansonsten ist über Mazedonien und Serbien eher wenig zu sagen, wir waren halt meist auf der Autobahn. Aber unsere Jungs haben sich auch gut arrangiert und meist für ordentlich Unterhaltung gesorgt:


In Budapest hat uns Alv ein wunderschönes Cafe rausgesucht. Cafe Gerbeaud: Eines der größten und traditionsreichsten (Schach-)Kaffeehäuser aus der „k.u.k.-Zeit“:





Vielen Dank fürs Lesen! 😊
Sven
Was für ein Bericht, ein Wunder, dass die Homepage nicht geplatzt ist 😉
Wäre doch glatt mal was für einen Dia-Abend am Freitag ...
Sadko
Danke, lieber Sven 🙂