Durch künftige, weitere Aufstiegsambitionen getrieben, fassten Christian Alvermann, Christian Dehner, Felix Teichmann und Sadko Petersohn den Entschluss, die Saure-Gurken-Zeit nicht ungenutzt zu lassen, sondern zusammen ins Böhmische zu fahren und am Czech Open Festival 2015 in Pardubice teilzunehmen. Dies war unser erstes richtig internationales Schach-Großturnier und sollte für alle eine neue, großartige Erfahrung werden.
Das Hauptturnier bestand aus vier Gruppen:
A: offenes Großmeisterturnier, ab Elo 2100,
B: offenes Ratingturnier, Elo 1700 bis 2400,
C: offenes Ratingturnier, Elo bis 2100,
D: offenes Ratingturnier, Elo bis 1700.
Felix – unser Trainer 🙂 – und Christian Alvermann spielten im B-Turnier, während Christian Dehner und meine Wenigkeit im C-Turnier ihr Glück versuchten.
Obwohl das eigentliche Hauptturnier erst am Freitag bzw. Sonnabend losgehen würde, sind wir bereits am Mittwoch angereist um uns vorher noch in den zahlreich angebotenen Blitz- und Schnellschachturnieren „warmzuspielen“. Unser Vereinsmaskottchen, im Folgenden „Alv“ genannt, war von uns allen am Ende allerdings der einzige, der dies auch wirklich durchzog, wir anderen entschieden uns kurzfristig, dann doch dafür, bei 42°C im Schatten alles erstmal ganz ruhig angehen zu lassen, die Unterkunft zu beziehen, die Gegend zu erkunden um dann halbwegs ausgeruht ins wichtige Hauptturnier gehen zu können. Nichtsdestotrotz erspielte Alv unterdessen eine sehr gute Schnellschachperformance und erreichte mit 5 aus 9 eine Erst-ELO von 1819.
1. Runde
Während Alv in der ersten Runde gegen eine knappe 2000 aus Deutschland antreten durfte und jener dann gleich einmal ein Remis abknüpfte, bekam Felix seinen vermeintlich leichten Erste-Runde-Gegner in Form eines 9-jährigen Nachwuchstalents aus der tschechischen Schachspielerfamilie PRIBYL, welchen er jedoch gekonnt überspielen konnte und somit, mit einem vollen Punkt, auch für ihn das Turnier durchaus gut losging. Christian Dehner und ich hatten in der ersten Runde leider weniger Erfolg, aber auch Gegner, die ohnehin wenig Erwartung zuließen.
2. Runde
Alv gelang es am zweiten Spieltag nicht nur an die Erfolge des Vortages anzuknüpfen, nein, er zog dieses Mal seinen Gegner (immerhin wieder eine 2000 aus Deutschland) gleich ganz über den Tisch, nachdem jener ihn offenbar (irrtümlich) so eingeschätzt hatte, als müsste er gegen Alv etwas Taktisches in Form des Gibbins-Weidenhagen-Gambits aufs Brett bringen – und erhielt dafür seine gerechte Strafe. Felix wurde durch einen starken Letten etwas ernüchtert. Christian spielte wieder eine grundsolide Partie, verlor am Ende jedoch durch einen taktischen Patzer. Ich konnte meinem deutlich stärkeren Gegner aus Holland noch zu einem Remis betrügen.
3. Runde
Nachdem wir nun endgültig im Turniermodus angelangt waren, konnte Alv seine bis dahin schon gute Performance mit einem weiteren Remis gegen eine weitere 2000 weiter ausbauen, wohingegen Felix sich ebenfalls mit einem Remis gegen einen leicht schwächeren Gegner zufrieden geben musste, aber immer noch gut im Rennen lag. Ich verlor hoch verärgert gegen einen stark alkoholisierten Tschechen, nachdem ich zwar gut aus der Eröffnung gekommen war, durch ein schlecht behandeltes Mittelspiel allerdings ins Hintertreffen geriet. Auch der Versuch eines Befreiungsopfers brachte leider nicht die gewünschte, lediglich eine spielverkürzende Wirkung. Christian konnte trotz Minusbauern in ein von ihm positionell gut gehaltenes Turmendspiel abwickeln und seiner vergrämten Gegnerin ein Remis nachweisen.
4. Runde
Felix‘ Gegnerin sah in dieser Runde keine Sonne und konnte schon recht zeitig nach Hause gehen. Bei Christian und mir waren die Partien ebenfalls recht schnell vorbei, wobei leider nur ich einen Punkt verbuchen konnte. Alv wurde gegen einen unter die 2000-Elo-Marke abgetauchten IM aus der Ukraine gelost, jenem Land aus dem zwar viele Teilnehmer kamen, dessen Flagge aber als einziges nicht unter den über 40 in der Arena gehissten Flaggen aller teilnehmenden Nationalitäten zu finden war. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Jedenfalls waren wir drei Fertigen am Ende (laut Alv 😉 ) alleinig an seiner Niederlage schuld.
5. Runde
Zum Bergfest zeichnete sich nun auch ab, wie für jeden von uns die Zeichen für den Rest des Turniers stehen würden: Alv war bereits so weit über Erwartungswert, dass ihn auch eine erneute Niederlage in dieser Runde, nichts mehr anhaben konnte. Felix spielte mehr oder weniger auf hohem Neunzehnhunderterniveau weiter. In dieser Runde durfte er gegen den Erstgesetzten, eine 2311, ebenfalls aus der Ukraine antreten. Und an Erfahrung gewinnen. Christians Pechsträhne setzte sich traurigerweise immer weiter fort – nach unglücklich verlorenen Gewinnstellungen der vergangenen Tage kam nun noch ein Spielfrei hinzu. Für mich stand das Turnier zum Glück unter einem sehr guten Stern – ich konnte meinen bis dato stärksten Sieg nach über 4 Stunden Spiel und auch mehreren gleichfarbigen Läufern gegen eine knappe 1800 erringen.
6. Runde
An diesem Tag entschieden wir uns, vormittags ein Blitzturnier zu spielen – mit Auswertung. Besonders erwähnenswert ist die Performance von Christian Dehner gewesen, welcher gleich einmal mit 3 aus 4 Punkten startete und das Turnier auch zu einem guten Ende führen konnte: 1690 ELO sprechen deutlich für sich. Felix erspielte sich eine 1910 und war damit sicherlich nicht vollends zufrieden, ähnlich wie Alv, welcher ebenfalls ein leicht besseres Ergebnis als eine 1844 erhofft haben dürfte. Sadko hat in eigener Erwartung die geringste Blitzleistung (1577) erzielt.
Im Hauptturnier dann, brachte unsere bessere Hälfte mit zwei aus zwei, im Gegensatz zu Christian und mir auch nach dem anstrengenden Blitzturnier, wieder ordentlich Leistung aufs Brett. Sowohl Felix als auch Alv gewannen ihre Partien.
7. Runde
Diese Runde war für uns vier weniger erfolgreich. Felix und ich verloren gegen jeweils starke Gegner, Alv und Christian remisierten wenigstens.
8. Runde
Ohne es zu wissen, sollte die 8. Runde für Felix und Alv bereits die letzte Runde sein. Was meine Partie betrifft, konnte ich mich freuen, dass mein Gegner offensichtlich durch die Dauer des Turniers bereits an Schachblindheit im Endstadium erkrankt war und über mehrere Züge hinweg eine dreizügige Gewinnabwicklung nicht sah, sodass ich am Ende erneut zum Remis betrügen konnte. Alv’s Partie ging ebenfalls remis aus. Felix hatte sich eine Gewinnstellung erarbeitet, mit materiellem Vorteil und einen Gegner in Zeitnot, konnte aufgrund des Fischer-Modus diesen jedoch nicht auf Zeit ausdrücken – wickelte obendrein dann auch noch unglücklich ab und musste wohl oder übel dann das Remisangebot des Gegners akzeptieren und war erst nach einigen Stunden, ein paar Kilometern Fußweg, einem zerknüllten Partieformular und nach dem Mord an seinem Kugelschreiber wieder ansprechbar.
9. Runde
Entsprechendes „Losglück“ erfuhren unsere beiden B-ler dann noch in der letzten Runde. Aus solidarischen Gründen verzichteten Felix und Alv, gegeneinander anzutreten. Mit spitzen Ohren habe ich bei meinem Gegner
(,welcher 162 ELO mehr hatte) in einem Gespräch vor der Partie mitbekommen, dass dieser noch am selben Tag zurück nach Bayern fahren wollte und bot daher recht zeitig in Verbindung eines drohenden Damentauschs in ausgeglichener Stellung ein Remis an, welches er auch annahm. Christian konnte seine Partie wie immer solide ausbauen, verzichtete jedoch diesmal auf einen taktischen Patzer und gewann somit sauber die letzte Partie.
Letztendlich war es für uns alle ein sehr lehrreiches und interessantes Turnier und zumindest für Alv, mich und auch Felix im Hinblick auf die Wertzahlentwicklungen auch ein sehr bzw. recht erfolgreiches Turnier. Außerdem waren wir ziemlich erstaunt, wie viele deutsche Teilnehmer es gab, gegen die – aus erwartungswerttechnischer Sicht – immer keiner von uns spielen wollte, weil diese natürlich meistens auch eine DWZ haben und nicht nur eine ELO und unser Erwartungswert somit i.d.R., bei gleicher Spielstärke, höher sein würde.
Ansonsten haben wir natürlich noch außerhalb des Turnierrahmens viel erlebt. So haben wir u.a. einen Ausflug zum alten Schlachtfeld bei Königgrätz gemacht, auf welchem deutsch-deutsche Geschichte geschrieben wurde und einen Museumsbesuch angeschlossen. Auch die nahe gelegene Burg haben wir entlang unserer zahlreichen Wanderungen von der Unterkunft zum Turnierort (ca. 12km pro Richtung) besichtigt.
Einmal Einkehren am Tag war Pflicht, zumeist auf dem Marktplatz in Königgrätz, wo man uns dann schnell kannte, aber wir haben auch selber im Rahmen der küchenausstattungstechnisch eingeschränkten Möglichkeiten unserer Unterkunft gekocht und danach regelmäßig mit Beavis und Butthead via Youtube den Geist „entspannt“.
Auf der Rückfahrt haben wir noch einen Abstecher nach Prag gemacht und sind dann über den Fichtelberg wieder zurück nach Deutschland gefahren.
Zum Schluss noch ein paar weitere Bilder: