Sadko, Alv und ich nutzten das verlängerte Wochenende, um uns mal wieder bei Heiko Berthold und Co. zur Döbelner Stadtmeisterschaft 2019 blicken zu lassen. Gespielt wurden sieben Runden Schweizer System vom 31.10. - 03.11. im Döbelner Bürgercafé. Ich will euch "kurz" erzählen, wie es uns ergangen ist.
Wir starteten in das Turnier mit gemischten Gefühlen und Ergebnissen. Sadkos Gegner hatte vermutlich so viel Angst, dass er zu seiner Erstrundenpartie gar nicht erst auftauchte, sodass Sadko mit einem spielfreien Punkt ins Turnier startete. Alv kam in Runde 1 als Favorit leider nicht über ein Remis hinaus und meine Erstrundenpartie verlief alles andere als gemütlich. Gegen einen sehr jungen Gegner opferte ich in der Eröffnung und im Mittelspiel mehr oder weniger freiwillig gleich drei Bauern, um einen Mattangriff aufzubauen. Bei korrekter Behandlung meines Gegners wird der Angriff allerdings relativ schnell ausgetrocknet. Mein Gegner spielte jedoch unsauber, wonach sein König völlig nackt stand und von meinen Figuren regelrecht überrollt wurde.
In Runde 2 verlief meine Partie dann zunächst etwas ruhiger und die Stellung sollte im Mittelspiel in etwa ausgeglichen sein, bevor ich den falschesten aller falschen Pläne umsetzte, indem ich meinen König aus seiner sicheren Rochadestellung zurück ins Zentrum beförderte, weil ich mich der Utopie hingab, am Königsflügel gegen Schwarz einen Angriff einleiten zu können. Ich habe es nur der Zeitnot meines Gegners zu verdanken, dass er vor der Zeitkontrolle einfach alles abtauscht und ich danach sogar noch einen Bauern erobern kann, wonach das Endspiel strategisch gewonnen sein muss. Am Ende konnte ich den Vorteil in den vollen Punkt umsetzen. Weniger Glück mit seinem Endspiel hatte leider Sadko direkt am Brett neben mir. Er kam in ein Turmendspiel mit Minusbauern, was vermutlich nicht mehr zu retten war. Nachdem er sich lange wehrte, musste er letztendlich doch das Handtuch werfen. In der Zwischenzeit spielte Alv im Sizilianer mit Weiß einen schönen Angriff, wobei Schwarz sich zur 0-0-0 entschieden hatte. Alv beendete dann die Partie mit einem Damenzug, der gleich mehrere Matts auf einmal drohte, wonach sein Gegner aufgegeben hat.
Als wäre der 2000er Gegner, den Sadko in Runde 2 bekam nicht schon schlimm genug gewesen, bekam er in Runde 3 dann auch noch eine 2100, der er sich im Endspiel dann aufgrund eines einzigen Tempos geschlagen musste. Da er zudem die vierte Runde aus nicht-schachlichen Gründen nicht antreten konnte, war es für Sadko bis dahin ein sehr gebrauchtes Turnier. Alv bekam in Runde 3 einen Gegner mit einer ELO von 2040, der aus völlig unerklärlichen Gründen Alvs multiple Remisgebote nicht annehmen wollte. Am Ende bekam er dann aber doch noch seinen heiß ersehnten halben Punkt. In Runde 3 ging für mich eines meiner Turnierziele in Erfüllung. Ich durfte (mit Schwarz) gegen FM Klaus-Dieter Kesik antreten. Die Partie sah relativ zeitig ein Motiv, das Grischan auch gerne in Blitzpartien gegen mich einsetzt, wenn auch auf eine andere Art und Weise. Leider verpasste ich im entscheidenden Moment das Gegenspiel mit einem Bauernopfer einzuleiten, wodurch sich mein Gegner rechtzeitig organisieren konnte. Das Gegenspiel (nun ohne Bauernopfer) ging dann taktisch nicht mehr auf, wonach ich mit Minusfigur für zwei Bauern weiterspielen musste. Und gerade als noch einmal alles raushauen wollte, stellte ich dann auch noch dreizügig meinen verbleibenden Turm ein, wonach ich die Hand herüberreichen durfte.
In Runde 4 rochierten wir dann unsere Gegner durch. Ich bekam Alvs Drittrundengegner und Alv bekam Sadkos Drittrundengegner. Sadko konnte, wie bereits erwähnt, die vierte Runde nicht spielen. Leider konnte auch Alv gegen den besagten Gegner nicht viel ausrichten und musste früh mit Minusfigur weiterspielen, wonach dann auch relativ schnell Schluss war. Apropos Minusfigur: Wie immer in meinen Berichten möchte ich euch eine Knobelaufgabe geben. Die Frage zum folgenden Diagramm ist: Wie vermeidet Weiß nach dem schwarzen 4... e5 den Figurenverlust?
Je länger ich mir diesen Zug anschaute, desto mehr wurde mir klar, was eigentlich gerade auf dem Brett los ist, vor allem, weil Alvs Stellung neben mir auch schon so gut wie kollabiert war. Mir schlief langsam immer weiter das Gesicht ein und jeder, der auch nur kurz auf mein Brett schaute, ging wahrscheinlich wie mein Gegner und ich davon aus, dass eine weiße Figur bald das Brett verlassen würde. Nach 25 Minuten habe ich dann tatsächlich doch noch eine Lösung gefunden, diese gebe ich euch wie immer am Ende des Berichts. Die Partie nahm einen ziemlichen verrückten Verlauf, in der mein Gegner noch eine schwer zu sehende Taktik übersah, die eine Fesselung entlang der fünften Reihe beinhaltete. Am Ende einigten wir uns angesichts einer vereinfachenden Variante auf Remis.
Mittlerweile sind wir schon am Samstag Morgen in Runde 5 angekommen. Aus Sadkos Sicht fing das Turnier leider erst jetzt so richtig an. Gegen meinen Erstrundengegner beißte er sich jedoch im Endspiel die Zähne aus und musste sich am Ende mit Remis zufrieden geben, nachdem er keinen Weg fand, in die gegnerische Stellung einzudringen. Alv konnte einen weiteren Sieg einfahren, nachdem sein Gegner ihn im Sizilianer frei nach Mikhail Tal "in den tiefen dunklen Wald führte, wo 2+2=5 ist und nur einer den Ausweg kennt". Nach einer sehr stark taktisch geprägten Partie, in der beide Seiten ihre Chancen hatte, behielt Alv die Oberhand und konnte am Ende mit der Mehrqualität und komplett gewonnenem Endspiel seinen Gegner zur Aufgabe überzeugen. Zur Aufgabe überzeugen konnte mich leider auch mein Gegner, der aus einem wahrscheinlich ausgeglichenem Mittelspiel für mich mitten aus dem Nichts einen Mattangriff einleitete, den ich leider komplett falsch behandelte, sodass irgendwann um Zug 30 das Matt schon nicht mehr abzuwenden war.
In Runde 6 konnte Alv dann wieder sein Lieblingsergebnis erzielen, obwohl er eigentlich schlechter stand, sein Gegner aber bereits in Zeitnot gekommen war. Sadko konnte mit den weißen Steinen einen Sieg einfahren, nachdem sein Gegner eine Zugkombination falsch abwickelte, nach der Sadko mit der Mehrfigur ins komplett gewonnene Endspiel ging. Sein Gegner bot dann sogar nochmal Remis und behauptete doch eiskalt, dass doch Materialgleichheit herrscht. Läufer oder Nicht-Läufer - das war hier die Frage.
Mit meiner Niederlage im Hinterkopf wollte ich in Runde 6 natürlich alles daran setzen, dieses Ergebnis wieder gerade zu biegen. Mein Gegner schob mich jedoch zeitig aus den Eröffnungssystemen, die ich sonst spiele. Ich beschloss dann irgendwann, ihn mal auf seinen Umgang mit hängenden Bauern zu prüfen, wonach er mit einem Isolani eine leicht schlechtere Stellung vorfand. Da ich aber keinen direkten Sieg sah, gerieten wir beide in akute Zeitnot. Zu meinen Ungunsten kam auch noch dazu, dass sich mein König dann in einem Riesen-Konglomerat aus gegnerischen und eigenen Leichtfiguren vorfand und ich allen möglichen Drohungen ausweichen musste. Ohne die Partie schon analysiert zu haben, würde ich jetzt einfach mal behaupten, dass wir beide diese letzten Züge vor der Zeitkontrolle nicht optimal spielten. Nach der Zeitkontrolle fand ich mich dann wieder in der leicht besseren Stellung vor und stand weniger später dank eines b-Freibauern im Springerendspiel strategisch klar auf Gewinn, musste aber noch einiges an Endspieltechnik zeigen, bevor mir mein Gegner zum Sieg gratulierte. Diese Partie dauerte fast die gesamten fünf Stunden, die die Zeitkontrolle von 2h+30min ohne Inkrement als Maximum zuließ.
Und weil es so schön war, gab es für mich in der letzten Runde noch eine Partie, die ca. 4 1/2 Stunden dauerte. Meiner Ansicht nach behandelte mein Gegner den Königsinder falsch, wonach ich positionell vermutlich (leicht) besser stehe. Im Mittelspiel packte ich dann noch einen Turmzug aus der Kreativabteilung aus, der allerdings seinen Job erledigte. Gegen Zug 30 kamen wir beide dann wieder in Zeitnot und mein Gegner patzte genau da einen sehr wichtigen Bauern ein, wonach ich erneut ins strategisch gewonnene Endspiel übersetzen konnte. Mit noch ein wenig Technik konnte ich diese Partie ebenfalls für mich entscheiden. Alv und Sadko fanden leider keinen versöhnlichen Turnierabschluss. Sadko übersah im Endspiel leider ein essentielles Schachgebot seines Gegners, wonach er aufgeben musste und Alv wurde die Stärke zweier Türme gegen seine Dame demonstriert, wonach auch er die Hand reichen musste.
Am Ende ärgert sich Sadko am meisten über die letzte Partie und hat vom Turnier quasi nur eine Hälfte "richtig gespielt". Alv hatte seine Remis und Tiefen, manchmal schoss er jedoch übers Ziel hinaus und konnte sogar zwei halbe Punkte in einer Partie sammeln! Starke Sache! Ich bin mit meinem ersten Turnier nach der halbjährigen Schachturnierabstinenz durchaus zufrieden, auch wenn wieder viele ganze und halbe Punkte mit mehr Glück als Verstand zustande gekommen sind. Am Ende reichte es für mich sogar noch für einen schönen Bierkrug als Sachpreis. In dem Sinne Prost aus Döbeln! Wir sehen uns beim nächsten Bericht. 🙂
P.S. Die Auflösung des Rätsels will ich euch natürlich nicht vorenthalten.
Zu allererst: 5.Lg5 funktioniert nicht, weil Weiß die Figur nach 5...Lxf3 verliert. 5.Lg3 funktioniert ebenfalls nicht, weil nach 5...e4 6.h3 Lh5 die Figur ebenfalls das Spielfeld verlässt. Das Motiv, was man erkennen musste, war der ungedeckte Läufer auf g4 selber. Diesen musste man ausnutzen, indem man ihn indirekt bedroht, zum Beispiel durch eine Fesselung entlang der vierten Reihe. Diese funktioniert hier nach der Zugabfolge 5.dxe5 dxe5 6.Lg3 e4 7.Dd4, wonach die besagte Fesselung aufgebaut und der Figurenverlust abgewendet wurde. Nach 7...exf3 folgt 8.Dxg4 fxg2 9.Lxg2 und nach 7...Lxf3 8.gxf3 exf3 kann man sich den Bauer (sofern man möchte) direkt mit 9.De4+ direkt wiederholen.
Sven
Sehr schöner und ausführlicher Bericht 🙂