DSAM Potsdam 2022: Kinder, wie die Zeit vergeht …

Nach über zwei Jahren gab die deutsche Schach-Amateurmeisterschaft (DSAM) im Kongresshotel in Potsdam ihr Comeback. Und mit ihr gaben auch Alv und ich unsere Comebacks in der neuen DSAM-Saison. Alv trat wie gewohnt in der C-Gruppe an. Ich nutzte die Chance, um in der B-Gruppe mein Glück zu versuchen. Wir ahnten nicht, dass diese Veranstaltung zu einem der denkwürdigsten Turnier von uns werden sollte ... 

Die Anreise war schon denkbar seltsam. Da Alv das Pech eines positiven Schnelltests am Donnerstag ereilte, entschieden wir uns, vorsichtshalber getrennt anzureisen, bis Alv sein Ergebnis hat. Für mich hieß dies, dass ich zum ersten Mal mit einem FlixTrain nach Berlin fahren durfte. Kleiner Tipp: Zieht euch in den Wagen am besten gleich einen Bikini an, damit passt ihr euch optimal an die Temperatur in diesen Zügen an. Nach seinem negativem PCR konnte er am Freitag Vormittag dann doch anreisen. Das Turnier konnte endlich starten.

In Runde 1 konnte Alv direkt mal eine 1890 mit Schwarz umarbeiten. Der Gegner dachte halt, dass er Alvs Mittel gegen ihn verwenden kann. Aber im Umgang mit Alv-Türmen macht uns keiner etwas vor! Alv eroberte die Qualität, was zu einem ungefährdeten Auftaktsieg führte. In meiner Partie konnte ich mit Weiß meinen Gegner soweit einschnüren, dass mir die Engine hinterher ein fast fehlerfreies Spiel bescheinigte. Mein Gegner ließ mich sogar das Matt noch ausspielen. Ein sehr gelungener Auftakt für uns beide.

In Runde 2 durfte Alv dann mit Weiß ran. Er hatte eine sehr aussichtsreiche Stellung, die er dann aber leider doch falsch behandelte und am Ende sogar noch verlor. Da war leider nicht mehr viel zu machen. Nach meinem Weiß-Sieg bekam ich nun Schwarz. Im Vorfeld konnte ich herausbekommen, dass mein Gegner 1.e4 spielte und ich wähnte mich in Sicherheit. Nur kam leider nicht 1.e4, sondern 1.d4 2.Sf3 3.Lg5. Ein Torre-Angriff war ungefähr das letzte, was ich erwartet hatte. Da ich dagegen keinen speziellen Aufbau parat hatte, musste ich mir mit normalen Entwicklungszügen helfen. Die Partie wurde dann ab dem Mittelspiel interessant, als mein Gegner nach besserer Stellung taktisch einen Bauern einstellte, für seinen Springer aber einen exzellentes Außenposten auf e5 etablieren konnte. Das Endspiel wurde sehr kompliziert, da beide Turmpaare auch noch da waren. Am Ende gerieten wir beide in Zeitnot und ich behielt letztendlich die Oberhand nach 55 Zügen. Drei aus vier Punkten für den VfB nach Turniertag 1.

In Runde 3 am Samstag Vormittag bekam ich Weiß. In dieser Partie vergaß ich in Zug 13 ein Detail meiner Eröffnungsvorbereitung, was zu einer Stellung führte, die mir seltsam vorkam (zurecht, denn ich hatte jenes Detail eben vergessen). Ich identifizierte einen Springer auf h5 als Ziel und legte mein ganzes Spiel darauf aus, dieses Pferd zu erobern. Leider war das entweder die falsche Idee oder ich habe die Idee falsch umgesetzt. Zeit für ein Rätsel für euch: Mit welchem Zug bzw. welcher Sequenz konnte mein Gegner mich hier überraschen? Die Antwort findet ihr direkt im nächsten Abschnitt.

Die Antwort lautet: 19...Sxe5! Erst als der Zug auf dem Brett stand, realisierte ich die Ressource von Schwarz. Aber getreu dem Mott: "Wer A sagt, muss auch B sagen", ließ ich mich darauf ein und spielte die Sequenz weiter: 20. Dxh5 Tf5 21. Dxf5 (die Dame hat keine Rückzugsfelder) exf5 22. fxe5 Dxe5. Im ersten Moment dachte ich, dass ich mit zwei Springern und Turm gegen die Dame und zwei Extra-Bauern gute Chancen hätte, realisierte aber auch erst hier, dass meine Figuren so schwer zu koordinieren sind, dass ich auf einmal vor einem Berg aus Problemen stehe. Die Engine sagt, dass das alles geht, nur (leider) bin ich keine Engine. Am Ende behandelte ich die Stellung nicht korrekt und musste in Zug 38 das Handtuch werfen. Alv konnte mit seinen Springern mehr anfangen und als der Gegner ein Springeropfer zu spät spielte, behielt Alv über lange Strecken der Partie die Mehrfigur. Am Ende wurde es nochmal interessant, als der Gegner erst ein Schach übersah, einen illegalen Zug machte und daraufhin stattdessen glatt den Turm einstellte und aufgeben musste. Nach Runde 3 standen wir also beide bei 2 aus 3 und alles war in Ordnung. Und jetzt nahm das Drama seinen Lauf:

In einer Phase der geistigen Umnachtung, in dem wir davon ausgingen, die vierte Runde würde um 16:00 Uhr beginnen, tauchten wir schlicht und ergreifend zu spät auf, denn die vierte Runde begann bereits um 15:00 Uhr. Die 15 Minuten Karenzzeit waren da schon lange rum. Und so wurde aus 2/3 ganz schnell ein 2/4. Ich kann bis jetzt nicht begreifen, wie uns so ein gravierender Fehler unterlaufen konnte.
Nun gut, volle Konzentration auf Runde 5 eben. Und in Runde 5 sollte ich meine gerechte "Strafe" erhalten. Denn in Runde 5 ging meine Partie erneut kampflos aus; nur dieses Mal mit dem Punkt für mich, da mein Gegner sehr kurzfristig seine Absage bekannt gegeben hatte. Ich nahm es so hin, schließlich hatte ich nach Runde 4 kein Recht mehr, mich über so etwas aufzuregen. Wenigstens konnte ich die Zeit sinnvoll nutzen und analysierte mit Cliff (der A-Gruppe spielte) meine dritte Runde vom Vortag. In der Zwischenzeit hatte wenigstens Alv einen Gegner bekommen. Er konnte zwar einen Bauern gewinnen, das Springer- und Bauernendspiel konnte dann leider nicht verwertet werden und die Partie ging remis aus.

Cliff zeigt uns, wie es richtig geht! Quelle: Turnierbericht DSB

Alv beendete das Turnier also mit 2.5/5 und wird wahrscheinlich ungefähr 11 DWZ-Punkte gewinnen. Ich beendete das Turnier mit 3/5 und gewinne vermutlich 24 DWZ-Punkte dazu. Zu aller Unfähigkeit und Frust über die letzten beiden Runden kam dann noch dazu, dass ich meine Gruppe auf Platz 8 beendete. Für all diejenigen, die das Format der DSAM nicht kennen und vermuten, dass das eine starke Leistung ist: Ja, damit kann ich sehr zufrieden sein, aber: Die ersten 7 einer Gruppe qualifizieren sich für das Finalturnier Ende August in Magdeburg. Ich lass das jetzt einfach mal so stehen ...

Am Ende verließen Alv und ich Potsdam dennoch mit einem positiven, ggf. leicht sarkastischem Lächeln und blicken auf ein Turnier zurück, in dem Fehler gemacht wurden, die sich hoffentlich nie wieder wiederholen. 

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