Auf den Spuren von Michail Tal und Wilhelm Ostwald

Wie schon im vergangenen Sommer, fassten auch in diesem Jahr Alv, Flosch, Jakob, Luca und ich (Sadko) recht früh im Jahr den Plan, im Sommer wieder ein bisschen durch Europa zu touren und die Ferien mit etwas Schach, Urlaub, Schach, Sightseeing und Schach zu verknüpfen. Nachdem wir im vergangen Jahr in Richtung Westen unterwegs waren, wollten wir dieses Mal eine andere Himmelsrichtung einschlagen; es sollte entweder nach Kroatien oder Lettland gehen; nach einigen Überlegungen haben wir uns aber letztlich für Riga entschieden.

Das „Ankunftsbild“ am Turnierort in Riga, nach 1750 Kilometern.

 

Bei dem Open der Rigaer Technischen Universität, kurz „RTU-Open“ handelt es sich nach eigener Angabe jedes Jahr um das „größte Schach-Event Nordeuropas“… Ja, die Balten sehen sich als Nordeuropäer… Doch schon allein bis wir dort ankamen war es eine durchaus lange Reise; also bringt gerne etwas Muße mit, bevor ihr auf „weiterlesen“ klickt.

Obwohl das große Hauptturnier erst am darauffolgenden Montag losgehen würde, wollten wir, wenn wir schon eine so lange Reise antreten, das ganze Schachfestival samt Nebenaktivitäten mitnehmen. Das hieß konkret, dass wir bereits Mittwoch früh in Leipzig losfuhren, um dann Samstag Nachmittag in Riga am ersten Event, dem „Opening-Blitz“ teilnehmen zu können.

Unser Weg führte uns am Mittwochmorgen von Leipzig zunächst nach Usedom, wo wir unsere erste Mittagspause eingelegt haben:

Von der Seebrücke in Heringsdorf aus wollten wir schonmal einen ersten Blick über die Ostsee werfen: Vielleicht sehen wir Riga ja schon… 😉

 

Von dort war es nicht weit bis zur polnischen Grenze. Für die Durchquerung Polens hatten wir zwei Tage eingeplant. Unser Weg führte uns mit Zwischenstopps an der Küste quer durch Pommern bis wir spätabends unser Etappenziel Danzig erreicht haben.

Glücklich, auch nach Mitternacht noch etwas Gescheites zum Abendessen bekommen zu haben, machten wir noch ein kurzes Foto an der Weichselbrücke im alten Hanse-Hafenviertel Danzigs.

 

In Polen sind bekanntlich viele Sehenswürdigkeiten eng mit der deutschen Geschichte verbunden und unweigerlich auch vieles mit dem Zweiten Weltkrieg. Nach einem kurzen Abstecher zur Westerplatte, dem Ort, wo der erste Schuss des Zweiten Weltkrieges fiel, fuhren wir weiter über Marienburg Richtung Ostpreußen. Die Marienburg ist die ehemalige Hauptburg des Deutschen Ordens, den Nachfolgern der Tempelritter gewesen, Unesco-Welterbe und ein echtes Highlight. Und auch wenn es durchaus nicht so einfach war, kurzfristig an Tickets und Audioguides zu gelangen – und es am Ende schon später Nachmittag war und wir praktisch noch nichts des Weges für den Tag geschafft hatten… – haben wir es am Ende nicht bereut, uns die entsprechende Zeit hierfür genommen zu haben.

Unsere zweite Nacht verbrachten wir dann in Nordostpolen. Hier: abends in der Nähe von Sensburg auf der Masurischen Seenplatte.

 

Am dritten Tag und letzten Tag der Hinreise wollten wir, nach einem kurzen Abstecher an die russische Grenze, weiter durch den Suwalki-Korridor über die grüne Grenze nach Litauen fahren, dort einen Abstecher zum Wasserschloss Trakai, ebenfalls Unesco-Welterbe, machen und dann weiter nach Lettland fahren. Eine erneut sehr lange Strecke stand uns bevor und dann noch eine Stunde Zeitverschiebung zu unseren Ungunsten. Der Rest des Hinwegs folgt jetzt mal als kleine Bilderstraße:

 

Vormittags: An der russischen Grenze. Auweia!

 

Mittags: Hinter dem Suwalki-Korridor: Litauen. Militär in Form von Panzern haben wir aber erst auf dem Rückweg gesehen.

 

Nachmittags: Am Wasserschloss Trakai. Auf höchster Entwicklungsstufe bringt das 50% mehr Rekrutenreserve! (Okay, der ist nur für echte Insider ^^).

 

Beim Erreichen der Memel-Fähre, nach einigen Kilometern nicht-asphaltierter Straße…

 

Dann auf der Fähre… Das Bild stammt von der hübschen Fährmannstochter, die wir am liebsten gleich mitgenommen hätten… 😉

 

Gegen 22 Uhr: endlich Lettland erreicht!

 

Nach dem Beziehen unserer Unterkunft und unserem nachmitternachtlichen obligatorischen McDonalds-Besuch, ging es gleich am nächsten Morgen nun endlich mit Schach los: Dem „Opening-Blitz“, bei dem immerhin über 150 Schachspieler aus aller Herren Länder gemeldet waren. Unter anderem: Großmeister Baadur Dschobawa (Jobava), der schon unter den Top-20-der-Welt war und hier noch nichtmal Erstgesetzter…
Luca hatte als einziger von unseren Jugendlichen bereits eine eigene Blitz-Elo (2084) und war mit Startranglistenplatz 42 unser Erster Mann. Zwei Mal durfte er gegen GMs antreten, einmal gegen GM Basso aus Italien und gegen WGM Rogule aus Lettland, wo er sich seinen ersten WGM-Skalp holte. Insgesamt bekam Luca 6 (!) Titelträger als Gegner und somit sind 5,5 Punkte aus 11 Partien zwar sicher nicht das, was er punktemäßig erstrebt hatte, aber eine Elo-Performance von 2057 hier in Lettland, das ist sehr stark! Ein guter Einstand.

Alv, der sich wahrscheinlich am meisten von uns allen auf das Blitz-Turnier gefreut hatte… musste jedoch ordentlich Federn lassen. Gerade die (äußerlich) kleinen Vertreter(-innen) der Rīgas-Šaha-Skola und „Young Folks“ … haben am Ende zu 81 Elopunkten Minus geführt. Noch schlimmer hat es Flosch erwischt: „Kleine lettische Mädchen…!“ und am Ende über -110 Elo… Nagut, es sollte ja noch ein „Closing-Blitz“ am letzten Turniertag kommen, wo man das alles dann wieder rausholten würde… ^^
Meine Wenigkeit hatte von Anfang an keine großen Erwartungen hier besonders was zu reißen, aber vielleicht war genau das der Grund, warum es gar nicht sooo schlecht lief. Mit 4 aus 11 war ich praktisch im Erwartungswert und es gab am Ende nur ein kleines Minus von -7 Elo. Jakob war der Einzige, der ein bisschen Plus machen konnte und sogar einen Platz über seinem Startrang ins Ziel kam.

Jedenfalls wurden wir so schon gut eingestellt, denn das Fazit des Eröffnungs-Blitz‘ war: knapp 200 Elo in Summe verloren… Nun, wussten wir es endgültig: Dieses Turnier hier würde es gehörig in sich haben…

Besser geht es kaum: Unser Spielort.

 

Am nächsten Tag waren 9 Runden Schnellschach angesagt. Inzwischen war das Turnier auf knapp 200 Teilnehmer angewachsen. Natürlich war auch im Schnellschach Luca unser Favorit und auch hier bewies er, dass er seine Zahl auch im osteuropäischen Raum gebührend vertreten und verteidigen kann. Am Ende eines langen Schach-Tages standen bei ihm nur 14 Elo-Punkte Minus zu Buche.
Dieses Mal wurde nicht nur Alv von den Vertreterinnen und Vertretern der Rigaer Schach Schule eines Besseren belehrt, sondern auch ich. Mehr gibt es an dieser Stelle nicht zu sagen. Langsam kamen in uns die Erinnerungen an Polen auf…
Flo holte mit 5 aus 9 eigentlich ein sehr ordentliches Ergebnis und hätte auch Elo-Plus machen müssen, wäre da nicht die Partie gegen das kleine Mädchen aus Turkmenistan… die allein 38 Elopunkte gekostet hat… Es gibt schlimmeres 😉
Vielleicht hätten wir es doch einfach wie Jakob machen sollen: Verzeih mir schon mal ^^ – aber besonders eine Partie habe ich da noch im Kopf, als ich schon fertig war und sein Geschehen beobachtete: Er spielte auch gegen ein kleines Mädchen und … hatte nichts mehr. Insofern erstmal kein Unterschied zu Alvs und meinen Partien – aaaaber: Naja, dann geht man eben mal im Endspiel, wenn beide keine Zeit mehr haben, einfach mal erst ganz frech durch ein Schach quer mit dem König durch, schlägt dann den gedeckten Wurzelbauern mit dem König, und auf einmal ist dadurch dann auch der gedeckte Freibauer der Gegnerin weg. Tja so einfach geht’s. Ein paar Sekunden später wird sich dann noch ohne alles auf Patt gestellt… und die Falle schnappt zu! Oh, Mann! Am Ende Remis für Jakob und bitterliche Tränen bei der kleinen Lettländerin, wie du sagen würdest ^^. Spaß beiseite - am Ende hast du 3 aus 9 geholt und satte 32 Elo-Punkte Plus gemacht. Aber die Anekdote musste ich jetzt trotzdem loswerden 😉

Nunja, im Endeffekt kamen wir trotzdem langsam ins Turnier, immerhin wurden heute nur knapp 120 Elopunkte verloren…

 

Nun startete das Hauptturnier. Es bestand dabei aus zwei Hauptgruppen:

1.) dem „Grandmaster Open“ und

2.) dem „Amateur Open“.

 

Beide Turniere waren als 9-Ründer parallel angelegt. Für das Großmeister-Open waren keine Pflicht-Elo-Grenzen festgelegt; jeder der wollte, konnte mitspielen, musste jedoch entsprechend tief in die Startgeldtasche greifen. Am Ende spielte Jakob im Amateur-Open mit, das mit über 70 Teilnehmern besetzt war und wir anderen vier im Großmeister-Turnier, in welchem über 200 Teilnehmer antraten.

 

Runde 1:

Wir vier A-ler wussten: Das würde heute ein Sch(l)ach(t)fest werden… Also fangen wir bei Jakob an: Im B-Open würde er zum Auftakt eine 1500 aus Frankreich bekommen, einen freundlichen älteren Herren. Jakob hatte Weiß, stand als Underdog die ganze Partie hinweg zwischen +1 und +3, ohne materiellen Vorteil, fand aber die Gewinnabwicklungen nicht und so einigte man sich zu Beginn des Endspiels auf Remis. Auf jeden Fall ein gelungener Auftakt.

Nun, während die Tabelle im B-Open bei 1482 Elo geteilt wurde, lag die Tabellenhälfte im A-Open bei krassen 2074 Elo… und keiner von uns würde im unbeschleunigten Schweizer System das Turnier „von oben“ beginnen können. Lange Rede, kurzer Sinn: Wir vier erhielten in der ersten Runde allesamt deutlich stärkere Gegner:

Alv bekam eine 2100 aus Spanien, Flosch eine aus Lettland. Meine Wenigkeit durfte gegen eine ebenso attraktive wie starke moldauische Domina, ähm, Meisterin spielen. Luca freute sich aber: Er würde mit Weiß gegen GM Erik Blomqvist aus Schweden antreten dürfen! Der Großmeister spielte die Sizilianische Verteidigung (Taimanow-Variante) und noch nach über 20 Zügen stand die Partie bei 0,0…

Meister Englert
 

 

GM Blomqvist

Naa? Wer von beiden, findet ihr, sieht denn hier zufriedener aus? ^^

… bis Luca einen vergifteten Bauern fraß und der Großmeister keine Luft mehr ran ließ. Beide analysierten ihre Partie anschließend noch einige Zeit.

 

Runde 2 + 3:

Heute war bereits die erste Doppelrunde, an welcher ich jedoch aufgrund eines familiären Notfalls nicht teilnehmen konnte und mich für die zweite und dritte Runde aus den Ansetzungen herausnehmen lassen musste. Alv jedenfalls erhielt zunächst eine 2000 aus NRW – nun, den dicken und ganz dicken Mistkäfern auf dem Partieformular nach zu urteilen, war es wohl keine sonderlich erbauliche Partie. Flosch wurde knapp daneben gegen eine 2000 aus Norwegen angesetzt und irgendwie gelang es ihm im geschlossenen Sizi dem Gegner einen Alv-Turm auf b2 zu verpassen, der von Bauern auf a2 und c2 und einem Läufer auf b3 eingequetscht war; langsam aber stetig wurde sein gleichaltriger Gegner umgebogen. 

Jakob bekam in dieser Runde einen Gegner, der zwar noch keine 10 Jahre alt war, aber schon über 300 Punkte mehr auf dem Elo-Konto hatte...

 

Günstiger lief es für Luca. Und auch wenn die Partie über 60 Züge dauerte, was ja eigentlich nichts Ungewöhnliches für Luca ist – holte er sich souverän seinen Pflichtsieg.

In der Nachmittagsrunde spielte er dann sogar knapp 80 Züge lang, unterlag jedoch einem lettischen Beinahe-FM, nach einem fast 50 Züge langen Endspiel mit Minusbauern, ungleichfarbigen Läufern und Turmpaar.

Flosch bekam seinen zweiten Norweger und setzte seinen hervorragenden Start fort: Remis gegen eine 2100 und das mit Schwarz! Nicht schlecht. Auch Jakob war fest entschlossen, in der Paarungsliste weiter nach vorne zu krabbeln. Vielleicht kennt er sich in der Königsindischen Verteidigung noch nicht so gut aus wie Christian, aber in jedem Fall besser als sein Gegner, sodass es auch nicht mehr schlimm war, dass der Gegner in verlorener Position seinen Turm eingepatzt hat. Der Herr Dr. glaubte es ihm trotzdem nicht – bis zum Matt. Gut. Weitere 31 Elopunkte auf Jakobs Konto.

 

Untergebracht waren wir übrigens in einer durchaus abgelegenen, wie schönen Taiga-Waldhütte …  

 

… mit Wiese, Grill- und Lagerfeuerplatz, den wir bei schönem Wetter gerne nutzten. Vor allem Luca und Flosch zum Fußballspielen ^^

 

Runde 4:

Für den heutigen Tag war angenehmerweise nur eine Partie angesetzt. Alvs Gegner spielte Russisch und passenderweise dauerte es nicht lange bis sie dann da war: die Wende an der Wolga! Glücklich stand der erste Punkt zu Buche.
Luca spielte gegen einen zwei Jahre jüngeren und 200 Punkte stärkeren Litauer. Nach einem Eröffnungsfehler in der Slawischen Verteidigung, stand er jedoch schon sehr früh sehr gedrückt; quälte sich noch eine Weile, doch vergebens.
Flosch spielte gegen einen Engländer. Einen, der Französisch spielt. Sachen gibt’s! Eigentlich Floschs Lieblingseröffnung. Allerdings ließ sich der Gegner nicht auf den Aljechin-Chatard-Angriff ein, wie ich das früher gerne tat … sondern spielte in weiser Voraussicht die Rubinstein-Variante. Die Partie war lange ausgeglichen, bis Flosch beim Übergang ins Endspiel unglücklich eine Figur verlor.
Jakob hatte sich inzwischen im B-Turnier bis an Brett 17 vorgearbeitet und erhielt entsprechend einen Gegner, der fieserweise erwartungswerttechnisch mit vollem Einsatz antreten musste und Jakob ohne. Der Vorteil: man kann ganz entspannt spielen, hat nichts zu verlieren und so kam es, dass Jakob seinen Anzugsvorteil zunächst sogar bis zu einer Plus-6-Stellung ausbauen konnte, dann aber in Zeitnot geriet, zwischendurch auf Matt steht, der Gegner aber den Gewinn nicht sieht und schließlich Remis bietet!
Für mich war es zwar erst die zweite Partie und der Gegner hatte ein höheres Rating, aber eigentlich wollte ich trotzdem ebenfalls meinen ersten Punkt einfahren. Also: Volle Attacke!! Im Sizi gleich mal 3.h5 und 4.h4 einstreuen… ^^ Alv kam aus dem Lachen kaum noch raus und lobte mich danach geradezu überschwänglich für „eine Partie genau nach seinem Geschmack!“… und tatsächlich steht die Partie auf 11 Bauerneinheiten Vorteil für mich, als noch 5 Minuten auf der Uhr waren. Aber ohne Zeitkontrolle, in einer immer noch sehr taktischen Stellung... Und es ist wirklich ein anderes Spiel, wenn es, wie hier auf dem Turnier, keine Zeitkontrolle gibt! Der Spielmodus war 90 Minuten für jede Seite, plus 30 Sekunden pro Zug. OHNE Zeitaufschlag nach dem 40. oder so… Und ohne fadenscheinige Begründungen und Entschuldigungen zu suchen – ich hatte mit dem hiesigen Zeitmodus wirklich durchaus meine Probleme und war damit aber auch nicht allein. Jedenfalls verpatzte ich die Partie in den verbleibenden Minuten von Plus-11 erst zum Remis und dann zur Niederlage. Ärgerlich.

Aber Schwamm drüber, denn wir wollten heute Abend schließlich noch Jakobs 18. Geburtstag (zusammen mit Alvs Lagavulin^^) reinfeiern:

Bisschen schmücken gehörte auch dazu: Happy Birthday!
Jakob hat uns alle eingeladen: Vielen Dank nochmal 😊

Runde 5 + 6:

Heute war neben Jakobs 18. Geburtstag auch Bergfest-feiern angesagt. Der Tag beinhaltete zudem unsere zweite Doppelrunde. Fangen wir mal mit Alv und Luca an, die mal wieder das fast Unmögliche geschafft haben, nämlich eine vereinsinterne Paarung bei über 200 Leuten im Turnier. ^^

Nach einer sehr geschlossenen Italienisch-Partie, die beide Seiten nahezu perfekt und fehlerfrei gespielt haben, bot Alv im 20. Zug Remis, was Luca (noch) nicht annehmen wollte. Es kam wohl, wie es kommen musste: Alv opfert daraufhin auf Lucas h3 und erhält auch noch eine Qualität, Luca möchte aber auch das zweite Remisgebot nicht hören und gelangt schließlich in folgende Stellung:

Luca Englert vs. Christian Alvermann: Weiß hat eine besonders schöne Fortsetzung gefunden, der Schwarz nichts mehr antworten kann.

 

Amüsant ist auch die Interpretation der Länge der Partie… diese müssen beide Seiten wohl unterschiedlich eingeschätzt haben, denn auf Alvs Partieformular war sie kürzer als bei Luca … ^^ Ähm ja. Flo musste heute seine wohl schmerzlichste Niederlage des Turniers einstecken – und auch dies war eine 2000 ... so viel dazu, aber das nur am Rande… dafür quälte er sich nicht lange: nach 15 Zügen war die Partie vorbei. Englisch kann manchmal echt unangenehm für Schwarz sein.

Für Jakob konnte in dem Turnier schon jetzt nichts mehr passieren. Er war schon über 50 Elo im Plus! Da machen auch die beiden Niederlagen des heutigen Tages gegen deutlich höher geratete Gegner nichts aus.

Meine Wenigkeit wurde gegen Andris Ozols ausgelost, den Ehemann der lettischen Nationalspielerin Dana Reizniece-Ozola, die im Übrigen auch für Löberitz spielt und lettische Parlamentsabgeordnete ist und Wirtschafts- und Finanzministerin war und lustigerweise einigen von uns im Verein bekannt ist. Naja jedenfalls verbleibt von dieser Partie, dass ich mir nicht nur das angenommene Wolga nochmal anschauen sollte, sondern auch das abgelehnte. Aber ich würde mich noch einmal erfolgreich rächen dürfen… doch das sollte erst beim Abschluss-Blitzturnier soweit sein… ^^

In der Nachmittagsrunde durfte zunächst Alv mich rächen. Er spielte mit Weiß gegen meinen Gegner von eben. Nach wenigen Zügen fand dieser sich in folgender Stellung wieder:

Christian Alvermann vs. Andris Ozols: Was macht jetzt der Springer, nachdem er mit a6 befragt wurde? Und vor allem, wie geht es dann weiter?

 

Flosch spielte am Nachmittag gegen eine 1800 aus Lettland, kam gut aus der Eröffnung, stand einige Züge auf Gewinn, übersieht dann eine Taktik und steht unhaltbar auf Verlust, bevor die Gegnerin vor Aufregung ihrerseits fehlgreift und Flosch sich durch ein Damenopfer in die Schaukel retten kann! Luca verarztete mit Schwarz einen indischen Jungen aus Schweden. Zu meiner Partie und Jakobs ist nicht viel zu sagen. Jakobs Partieformular hat wahrscheinlich die Katze gefressen.

Abends im Rigaer Hafenviertel.

 

Runde 7:

Voller Motivation nochmal alles zu geben starteten wir nun in die 7. Runde. Alv hatte eine seiner längsten Partien überhaupt, ein gutes Remis nach 70 Zügen. Leider konnte der Schreiber dieser Zeilen die Partie auch beim besten Willen spätestens nach dem ersten Drittel nicht weiter aus dem – ich glaube man nennt es „Partieformular“ – rekonstruieren. Wirklich nicht. Also zumindest in der Hinsicht vermisse ich deine schönen „Miniaturen“ von früher wirklich, Alv, wo spätestens nach 10-15 Zügen Remis war... 😉

Flosch gewann souverän gegen Alvs Zweitrundengegner.

„Welche Figur sieht am leckersten zum Anknabbern aus?“

 

Jakob spielte ebenfalls eine sehr lange Partie, am Ende scheiterte es, weil er einen Freibauern des Gegners auf der a-Linie unterschätzte.

Luca freute sich, „… dieses Mal endlich mal nicht 1. d4 bekommen zu haben, wie sonst immer… !“ Dennoch sollte es eine sehr zähe Partie gegen seinen Gegner aus NRW, Timo Leonard werden. Zwischen minus 4 und plus 7 war alles dabei; dann war an einer Stelle mal kurz die Dame weg, aber der Gegner sieht es nicht, es entsteht am Ende ein Damenendspiel und erst nach Äonen einigte man sich dann doch auf Remis.

Auch meine Partie dauerte mal wieder fast 100 Züge, am Ende fanden wir uns in einem Springerendspiel wieder, in welchem meinem Gegner ein, zwei Ungenauigkeiten unterliefen und ich den ganzen Punkt holen konnte. Immerhin. Und mit 3 aus 5 Punkten unsere erfolgreichste Runde bisher…

Echte VfB-ler: Nichts geht über einen schönen Grillabend. Lagerfeuer haben wir dann später noch gemacht und sogar einige Perseiden gesehen. Ein gutes Omen?

 

Runde 8:

Ja! Denn auch am nächsten Tag ging es insgesamt recht erfolgreich weiter:

Jakob spielte gegen einen 200 Punkte stärkeren Gegner Remis. Ein Remis, das man, wenn ich es recht in Erinnerung habe, durchaus noch weiter hätte kneten können… Auch Luca remisierte gegen einen deutlich stärkeren Gegner. Allerdings kann hier von mangelnder Knetungs-Motivation kaum die Rede sein, denn auch diese Partie ging über zwei Partieformulare! Meine Wenigkeit gewann rasch gegen eine ältere Dame. Auch Flosch spielte gegen eine nominell stärkere Gegnerin. Nach 18 Zügen im Italiener fanden sich beide in folgender Stellung wieder:

Florian Schön vs. Margot Landl: Auf den ersten Blick scheint Weiß schlicht eine Qualität weniger und zahlreiche Drohungen gegen sich zu haben (g5, g4, d3 …; Dxc2). Aber stimmt das wirklich?

 

Flosch ließ sich davon natürlich nicht beeindrucken und spielte Bauer a4. Und auch der Computer gibt ihm Recht: Schwarz ist bereits unhaltbar verloren. Die Partie endete weniger als 10 Züge später mit Matt.

Alvs Partie war sehr ärgerlich, denn eigentlich überspielte er seine stärkere Gegnerin im Franzosen deutlich und hatte zunächst Gewinnstellung, stellte dann aber einzügig eine Qualität ein und verlor in Folge die Partie. Naja immerhin hatten wir so noch genug Zeit, in den Rigaer „Gedächtnispark“ zu gehen, in welchem die größten Persönlichkeiten der Stadt geehrt wurden. Natürlich durfte da, neben Michail Tal, auch eine weitere Persönlichkeit – gerade für uns – nicht fehlen:

 

Zwei ehemalige und zwei aktuelle „Ostwaldianer“ an der Ostwald-Gedenkstätte.
Pilgerziel der Jünger Michail Tals: Auf dem jüdischen Friedhof.

 

Runde 9:

Und schon war auch die letzte Runde des Turniers angebrochen. Aber es sollte auch dann noch nicht gleich Schluss sein, denn die für 19:30 Uhr geplante Siegerehrung war noch von einem daran anschließenden „Closing-Blitz“ eingefasst, das am Ende bis nach Mitternacht gehen sollte. Aber zunächst zur letzten Turnierrunde, denn wir wollten ja nochmal alles reißen… Leider war, bis auf eine Ausnahme, der Wunsch Vater des Gedankens.

Alv … veropferte sich. Und das erneut in vorteilhafter Stellung. Verdammte Axt. Am Ende stehen mit 2,5 aus 9 Punkten 18 Elopunkte Minus; es waren viele starke Gegner dabei.

Flosch war gegen einen 400 Punkte stärkeren Gegner angesetzt und hatte aber auch mit seiner Niederlage nichts mehr zu verlieren. Er war vor der Runde bereits dreistellig im Plus und auch nach der Partie verblieben mit 4 aus 9 satte 100 Punkte Plus, bei knapp 2000 Elo-Performance. Wahnsinn!

Luca war als Schwarzer seinerseits mal wieder im Najdorf marodieren; eine spannende Partie mit unterschiedlichen Rochaden und Bauernangriffen auf jeden König. Es war tatsächlich alles im dynamischen Gleichgewicht, lange Zeit, bis Luca in Verführung einer Matt-in-Vier-Drohung mit dem Turm in die gegnerische Rochadestellung einschlug, anstatt mit dem Bauern. Am Ende hieß das: ebenfalls 4 aus 9 Punkte, aber bei seinen inzwischen sehr hohen Erwartungswerten leider ein Minus von 36 Punkten, bei knapp 2000er Leistung.

Hmm… Und mir unterlief mal wieder ein Abwicklungsfehler im Mittelspiel, aber ich hätte es auch so nicht mehr ins Positive wenden können – am Ende stehen minus 38 Elo zu Buche, bei 2 aus 7 Punkten und dem Eingeständnis, besser in der B-Gruppe angetreten gewesen zu sein; nun, nachher ist man immer schlauer; jedenfalls rettete uns Jakob noch kurz vor knapp, denn alles schien schon auf olympische Ringe für uns fünf in der letzten Runde hinauszulaufen. Aber irgendwie schaffte es Jakob mit seinen verbundenen Freibauern die Minusqualität auszugleichen; am Ende standen seine Bauern so weit vorne, dass die Gegnerin aus Angst einfach aufgab – obwohl die Stellung nur -2 war…

Jedenfalls auch für Jakob somit ein sattes Plus von 84 Elo-Punkten mit 3,5 aus 9 Partien, was am Ende sogar zu einer Gesamt-Elobilanz von plus 112 Punkten für unsere Reisegruppe führt! Cool!

Viel Zeit war nie, aber auch vor der Siegerehrung sind wir nochmal an den Strand.

 

Die Siegerehrungszeremonie selbst verging ziemlich zügig, da wir uns frecherweise in die vorderste Reihe gesetzt haben, um so den besten Blick auf die Geschehnisse erhaschen zu können. Außerdem hatte Jakob insgeheim wohl noch einen kleinen Auftritt geplant: Nur mit Mühe konnten wir ihn dann in dem Moment zurückhalten, aufzustehen und nach vorne auf die Bühne zu laufen, als der „Winner of the RTU-Open 2023“ ausgerufen wurde… ^^

Und dann war da natürlich noch die Vorfreude auf das Abschluss-Blitz-Event…

Das „Closing-Blitz“ war mit fast 250 Teilnehmern durchaus voll. Jakob schlug in der ersten Runde einfach mal eine 1850 aus England. Und eigentlich kann man alles Weitere so zusammenfassen: Die stärkeren Gegner schlugen uns und wir schlugen die schwächeren. Es sei denn, man hatte Pech und erwischte jemanden aus der Rīgas-Šaha-Skola. Besonders schwere End-Bosse waren dabei diejenigen, die weiblich, unter 1,30m und blond waren. Dieses „Glück“ hatten wir fast alle einmal, oder auch mehrfach…  Und was das „Wiedergeradebiegen“ des Eröffnungs-Blitzturniers anbelangt, in welchem wir ja in Summe knapp 200 Elo eingestellt hatten … naja … wie kann man das jetzt ausdrücken… wir haben nochmals alle erfolgreich unser Rating verschlimmbessert, nur Jakob nicht, der erneut über 50 Punkte Plus gemacht hat. 😊

Aber wenn man sich überlegt: Wir haben in Summe über 200 Partien gespielt; das ist eine ganze Menge!! Und wir haben mit Sicherheit auch eine ganze Menge Lehren daraus gezogen, geübt und wertvolle Erfahrungen gesammelt und vor allem – und das ist das Wichtigste – unheimlich viel Spaß und eine wunderschöne Reise gehabt.

Die Rückreise haben wir noch etwas straffer als die Hinreise geplant, mit nur einer Übernachtung in Warschau. Ich habe sie hier wieder nachfolgend als kleinen Bilderband zusammengestellt.

Vielen Dank fürs Lesen!

Bis bald, euer Sadko

Unsere Jungs wollten unbedingt auch auf dem Rückweg wieder mit der Memel-Fähre fahren… Kurzes Verschnaufs-Sitzen auf der Wiese vom vielen Sitzen… Lustig war, dass wir erstmal den Fährmann laut rufen mussten, der in seinem Häuschen auf der anderen Uferseite vermutlich gerade Mittagsschlaf machte…

 

An der litauischen Grenze: Jakob als Grenzbeamter! ^^

 

Irgendwo in Litauen: Jedenfalls auf einer „großen Hauptverkehrsstraße“ ^^

 

Weggegangen, Platz gefangen! ^^

 

Noch vor dem Frühstück: Am nächsten Morgen in Warschau vor dem Königsschloss.

 

Es war ein langer Weg, aber das sind echte Freunde: Flosch und Luca mit Stimmungskanone Jakob - in seinem Element ^^

 

 

3 Gedanken zu “Auf den Spuren von Michail Tal und Wilhelm Ostwald

  1. Timon

    Ein sehr schön geschriebener Bericht und bei dem, was ihr alles gesehen und erlebt habt bestimmt eine wunderbare Erfahrung, wenn ich zwischen den Zeilen richtig interpretiere. Ich bin mal gespannt, wohin es euch nächstes Jahr hin verschlägt! 🙂

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